Ein Kind ist gut, mehrere sind besser – steuerlich gesehen.

Foto: APA; Halfpoint

Der Familienbonus soll wohlhabenderen und kinderreichen Familien in Österreich zugutekommen.

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In einer vor beinahe einem halben Jahrhundert erschienenen österreichischen Erzählung heißt es: "Der Staat, der das Machen von Kindern unterstützt, hat weder Erfahrung noch Erkenntnis."

Die teilweise unerfahrene und in doppelter Hinsicht junge Regierung möchte Erwerbstätige mit in Österreich lebenden Kindern durch den "Familienbonus" steuerlich begünstigen. Außerdem soll die Familienbeihilfe an die Lebenshaltungskosten am Wohnort der Kinder angepasst werden. Diese Maßnahmen sind ökonomisch nicht zu Ende gedacht. Politisch mögen sie aber durchaus opportun sein.

Lastenausgleichsfonds

Die Familienbeihilfe wird über den Familienlastenausgleichsfonds bezahlt. Er wird aus Dienstgeberabgaben auf unselbstständige Einkommen finanziert (Selbstständige zahlen nichts ein). Eine steuerliche Begünstigung belastet hingegen das allgemeine Budget. In jedem Fall kommt es zu einer Umverteilung innerhalb verschiedener Einkommensschichten zu Familien mit Kindern, aber auch zu einer Umverteilung im Lebenszyklus: von Zeiten, in denen man Unterhaltspflichten für Kinder hat, hin zu Zeiten, in denen das nicht der Fall ist.

Steuerliche Begünstigungen wie der Familienbonus sind in erster Linie eine Umverteilung zu Besserverdienern mit Kindern in Österreich. Je höher mein Einkommen, desto höher die Steuerersparnis. Die Intention der österreichischen Familienförderung ist eine Kompensation für die mit der Unterhaltspflicht für Kinder zusätzlich entstehenden Ausgaben.

Gutverdienende Haushalte stärker zu entlasten (sie geben ja auch mehr für ihre Kinder aus) entspricht der Ideologie der ÖVP. Den Bonus auf in Österreich lebende Kinder zu beschränken, bedient die Klientel der FPÖ. Auch die traditionelle Rollenverteilung in der Familie wird gefördert. Eine Familie mit einem gutverdienenden und vollzeitbeschäftigten Mann sowie einer zu Hause bleibenden Frau wird stärker entlastet, als wenn beide dasselbe Gesamteinkommen gemeinsam erwirtschaften.

Politisch opportun

Es ist ökonomisch konsequent und entspricht der Intention des Gesetzgebers, wenn die Regierung die Höhe der Familienbeihilfe an die Lebenshaltungskosten des Landes, in dem die Kinder leben, anpasst. Die Kaufkraft eines Euro in Ländern mit niedrigem Lohnniveau wie Ungarn ist wesentlich höher als in der Schweiz. Der positive Zusammenhang von Lohn- und Preisniveau ist in der ökonomischen Literatur theoretisch und empirisch mehrfach untersucht worden. Er wird durch den Balassa-Samuelson-Effekt erklärt.

Balassa-Samuelson-Effekt

Da viele Güter und Dienstleistungen über die Grenzen hinweg nicht gehandelt werden können, bleiben Lohn- und Preisunterschiede bestehen. Viele haben diese Erfahrung bei Urlaubsreisen in ärmere Länder gemacht: Ein Euro kann in einigen dieser Länder ein Vielfaches mehr kaufen als im reichen Österreich. Folglich soll es für Kinder in Ungarn weniger an Beihilfe geben als in Österreich. Für Kinder in der Schweiz hingegen mehr.

Auch politisch betrachtet ist der vorliegende Gesetzesentwurf aus Sicht der Koalition eine gute Idee. Denjenigen, denen die Familienbeihilfe gekürzt werden soll, also in Österreich Beschäftigten, deren unterhaltspflichtige Kinder zum Beispiel in Ungarn, Polen oder in der Slowakei leben, sind in Österreich meistens gar nicht wahlberechtigt.

Aber auch innerhalb Österreichs herrscht eine positive Beziehung zwischen Lohnniveau und Lebenshaltungskosten, und zwar aus denselben oben genannten Gründen.

Bei den Einkommen gibt es ein starkes Stadt-Land- und Ost-West-Gefälle. Ähnliches gilt für die Lebenshaltungskosten. Laut Statistik Austria liegt zum Beispiel die durchschnittliche Bruttomiete pro Quadratmeter in Salzburg 64 Prozent über der im Burgenland. Ähnliches gilt auch für den Vergleich zwischen Städten und dem ländlichen Raum. Selbst innerhalb Wiens gibt es große Unterschiede.

Innenstadt versus Güssing

Entspräche es nicht auch der Intention des Gesetzgebers, für Kinder, die in der Wiener Innenstadt leben, höhere Familienbeihilfen auszuzahlen und geringere für Kinder, die im Südburgenland leben? Und wenn wir schon dabei sind: Müssten wir nicht auch die Gehälter der Bundesbeamten an die regionalen Lebenshaltungskosten anpassen, genauso wie die Pensionen und die Rezeptgebühren?

Vermutlich ja, aber es würde der politischen Logik der Koalition widersprechen. der STANDARD titelte nach der Wahl: "Ländliche Zweidrittelmehrheit in Schwarz-Blau." Viele Wähler der Koalitionsparteien leben im ländlichen Raum in Regionen mit niedrigeren Einkommen und Lebenshaltungskosten.

Regierung abstrafen

Einige dieser Wähler dürfen vielleicht bald straffrei ohne Geschwindigkeitsbeschränkung in die Stadt zur Arbeit rasen statt pendeln. Sie würden aber nicht davor zurückscheuen, die Regierungsparteien für eine Kürzung der Familienbeihilfe bei der nächsten Gelegenheit abzustrafen. (Alejandro Cuñat Philipp Schmidt-Dengler, 15.1.2018)