SPD-Chef Martin Schulz (re.) kann den "Durchbruch" bei den Sondierungsgesprächen weit weniger genießen als Horst Seehofer und Angela Merkel.

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Dass es kein leichter Weg werden würde, war Martin Schulz klar. "Wenn das schiefgeht, ist meine politische Karriere zu Ende", hat der SPD-Chef laut Bild zu Kanzlerin Angela Merkel und CSU-Chef Horst Seehofer gesagt. Gemeint war natürlich das Zustandekommen einer großen Koalition.

Schulz will ein weiteres schwarz-rotes Bündnis. Oder besser gesagt: Er hält ein solches nach dem Scheitern der Jamaika-Sondierung für die richtige Option, um Neuwahlen zu verhindern. Doch er muss ja auch noch seine skeptische Partei mitnehmen.

Die NoGroKo-Tour wird zum Erfolg

Noch am Freitag war Schulz erleichtert: Die Sondierungen wurden erfolgreich abgeschlossen, die SPD-Verhandler empfahlen einstimmig die Aufnahme von Koalitionsgesprächen. Das entsprechende Votum des Vorstands ein paar Stunden später war dann nicht mehr so eindeutig. Aber sechs Neinstimmen bei 40 Vorstandsmitgliedern, das ließ sich durchaus verkraften.

Danach aber kam es für Schulz knüppeldick. Schon länger stand am Samstag in Sachsen-Anhalt ein SPD-Landesparteitag auf dem Programm. Angereist kam auch Bundesprominenz, allerdings mit unterschiedlichen Absichten. Außenminister Sigmar Gabriel warb für die große Koalition und sprach von einem "sehr guten Ergebnis" bei den Sondierungen.

Juso-Chef Kevin Kühnert hingegen warb im Rahmen seiner NoGroKo-Tour für ein Nein zu einem neuen schwarz-roten Bündnis. Er kritisierte vor allem, dass die SPD faktisch einer Obergrenze für Flüchtlinge zugestimmt habe.

Knappe Entscheidung

Schließlich sprachen sich 51 Delegierte der SPD Sachsen-Anhalt für Koalitionsgespräche aus, 52 jedoch dagegen. Zwar stellt die sachsen-anhaltinische SPD am Sonntag beim entscheidenden Bundesparteitag, der über die Aufnahme von Koalitionsgesprächen entscheiden wird, nur sieben von 600 Delegierten. Doch das Votum zeigt, wie zerrissen die SPD ist. Der Landesverband Thüringen hat sich auch schon gegen eine große Koalition ausgesprochen, Nordrhein-Westfalen ist skeptisch, in Bayern heißt es im SPD-Präsidium, 60 Prozent der Delegierten seien dagegen.

Unzufrieden sind aber auch führende Sozialdemokraten. "Ich sehe das sehr kritisch", sagt Berlins Bürgermeister Michael Müller (SPD). Die Sondierungsergebnisse seien eine Grundlage für weitere Gespräche – "mehr aber auch nicht". Denn: "Bei Wohnen, Zuwanderung und Integration geht es so nicht." Und: "Die Bürgerversicherung fehlt ganz. Viel zu tun also."

Kritik aus dem Team

Apropos Bürgerversicherung: Dass diese Neugestaltung der Krankenversicherung nach österreichischem Vorbild nicht kommt, stattdessen gesetzliche und private Krankenversicherungen weiter nebeneinander bestehen, grämt viele Rote besonders. Hessens Landesverband will der Bundes-SPD bis Mitte der Woche eine Liste vorlegen, bei welchen Themen in den Koalitionsverhandlungen noch nachverhandelt werden soll. An "zentralen Punkten" seien Korrekturen nötig, etwa bei der Krankenversicherung. "Da ist Luft nach oben", sagt Landes chef Thorsten Schäfer-Gümbel.

Der Meinung sind auch die Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, Malu Dreyer, und SPD-Vizechef Ralf Stegner. Allerdings: Die beiden saßen mit Schulz im Sondierungsteam.

Die Union will nichts von Nachverhandlungen wissen. "Was wir vereinbart haben, gilt", sagt CDU-Vize Thomas Strobl. Und CSU-Vize Alexander Dobrindt erklärt: "Martin Schulz muss jetzt zeigen, dass die SPD ein verlässlicher Koalitionspartner sein kann und er den Zwergenaufstand in den Griff bekommt." Sozialdemokraten als "Zwerge"? Man darf es als gezielte Provokation verstehen. (Birgit Baumann aus Berlin, 14.1.2018)