Bild nicht mehr verfügbar.

Jiří Drahoš gibt sich als besonnene Alternative zu Miloš Zeman.

Foto: Reuters/Cerny

Vielleicht hätten sich die Reporter mehr Statements und weniger Understatement erwartet: Er sei jemand, der zuerst nachdenke und erst dann rede, sagte Jiří Drahoš einmal, als er am Wahlabend immer wieder um Reaktionen auf seinen Einzug in Runde zwei der tschechischen Präsidentschaftswahl gebeten wurde.

Die Aussage ist weit mehr als staatsmännische Zurückhaltung angesichts eines beachtlichen politischen Erfolges. Sie ist auch ein klarer Seitenhieb auf seinen Kontrahenten, den amtierenden Staatschef Miloš Zeman, dem – freundlich formuliert – ein Hang zu rustikal zugespitzter Rhetorik nachgesagt wird.

Geduld und Genauigkeit war auch bisher das Rüstzeug von Drahoš – allerdings nicht in der Politik, sondern in seinem Beruf als Chemiker. Anfang der 1970er Jahre schloss er sein Studium an der chemisch-technologischen Hochschule in Prag ab und arbeitete danach am Institut zur Erforschung chemischer Prozesse. 1994 habilitierte er im chemischen Ingenieurswesen, wurde Professor und 2009 schließlich Vorsitzender der tschechischen Akademie der Wissenschaften.

Weltweit aktiv

Sein Interesse galt in erster Linie mehrphasigen chemischen Reaktionssystemen, Drahoš ist an insgesamt 14 Patenten beteiligt. Eine robuste Immunität gegen den da und dort wieder salonfähig gewordenen Nationalismus hat er sich wohl auch im globalen Wissenschaftsbetrieb angeeignet: Die Liste der Universitäten, mit denen er zusammengearbeitet hat, ist lang und weltumspannend.

Im Oktober 2012 hatte Drahoš auf der Prager Burg ein Stelldichein mit Zemans Vorgänger: Der damalige Präsident Václav Klaus überreichte ihm die Medaille für Verdienste um den Staat im Bereich der Wissenschaft. Knapp fünf Jahre später beschloss Drahoš, selbst für das Amt des Staatsoberhaupts zu kandidieren.

Obwohl der 68-Jährige als unabhängiger Kandidat antrat, genießt er in erster Linie die Unterstützung der Christdemokraten und der rechtsliberalen Partei Top 09, die einst von Karl Schwarzenberg gegründet wurde. Aber auch Vertreter anderer Parteien bekundeten dem zweifachen Familienvater politische Sympathien.

Drahoš ist erklärter Befürworter der Mitgliedschaft Tschechiens in EU und Nato. Migrationspolitische Herausforderungen sieht er auch durch die wissenschaftliche Brille: Fluchtursachen möchte er durch Bewässerungssysteme zur Beseitigung der Nahrungsmittelknappheit in Afrika bekämpfen. (Gerald Schubert, 15.1.2018)