Die ÖBB will mit ihren Nightjets im Nachtreisegeschäft in Europa eine große Nummer werden. Wo sie ihr neues Rollmaterial kauft, wird genau beobachtet – insbesondere von den Anbietern.

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Wien – Die vom Streit mit dem Haus- und Hoflieferanten Siemens betroffene Beschaffung von Schlafwagen durch die ÖBB wird durch den Regierungswechsel nicht gerade beschleunigt. Im Gegenteil, die Ausmusterung der von der Deutschen Bahn erworbenen Eurocity-Wagons hat bereits mehr als ein halbes Jahr Verspätung.

Als Grund wird in ÖBB-Kreisen der Streit über den chinesischen Wertschöpfungsanteil bei dem auf 400 Millionen Euro taxierten Anschaffungsvolumen genannt. Der betrage beim kanadischen Anbieter Bombardier 15 Prozent – und sei damit höher als beim Erzrivalen Siemens, der auf 63 Prozent inländischen Anteil verweist; aus Europa kämen sogar 93 Prozent.

Bombardier mit China-Einkauf

Der hohe chinesische Anteil – Bombardier bezieht Rohmaterial und Teile des Rohbaus aus einem Joint Venture mit dem chinesischen Eisenbahngiganten CRRC – begeistere den neuen ÖBB-Eigentümervertreter nicht, heißt es. Angesichts der Konkurrenz aus China sei für die Regierung Standortsicherung prioritär.

Das wiederum verunsicherte die ÖBB-Führung, die die verspätete Vergabe für Bau und Lieferung von insgesamt 21 Reisezugwagen bereits über die Wahl und inzwischen auch den Jahreswechsel hinausgeschoben hat. Wann der Auftrag – in einem ersten Schritt sollen acht Tageszüge mit je neun Reisezugwagen und 13 Nachtzüge mit je sieben Schlaf- und Liegewagen bestellt werden – vergeben wird, ist offen.

Standort-Wettkampf

Für die beiden verbliebenen Anbieter geht es um viel, denn Millionenaufträge für Bahnen, Straßenbahnen und U-Bahnen sind rar, in Zeiten wie diesen aber bitter nötig. Im deutschen Siemens-Konzern, der dabei ist, mit dem französischen Konkurrenten Alstom einen europäischen Bahnriesen zu schmieden, ist ein Wettrennen zwischen den Standorten in Europa entbrannt.

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In Simmering werden unter anderem die Siemens-U-Bahn-Wagen hergestellt.
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Doppelgleisigkeiten will die im Endausbau von Frankreich aus gesteuerte Siemens-Alstom abbauen, eine Standortgarantie gibt es daher nur für vier Jahre – ab Closing, das Ende 2018 angestrebt wird, wie man bei Siemens Österreich betont.

Ein Standort zu viel

Für zwei Standorte sehen Insider à la longue nicht allzu rosige Aussichten in einem kleinen Land wie Österreich, womit das Rennen zwischen der SGP in Wien-Simmering und dem Drehgestellkompetenzzentrum in Graz als eröffnet gilt; wobei Graz hinsichtlich der Innovationsleistung und 980 Beschäftigten als unbestritten gilt.

Simmering wiederum ist arbeitsplatztechnisch mit rund 1200 Beschäftigten die gewichtigere Niederlassung. Auch vereine man dort Fertigungskompetenz für Aluminium, Stahl, Edelstahl und Kunststoff, baue Metros, Straßenbahnen, fahrerlose Peoplemover (VAL) und auch Reisezugwagons, betonte ein Sprecher.

Gebaut wird der ÖBB-Railjet ebenso wie die Wiener Straßenbahn ULF und bald auch die 45 autonom fahrenden U-Bahn-Züge der Linie U5. Außerdem verweist man auf Kundschaft aus Doha und Bremen, Metros für München, U-Bahn-Garnituren und eine Flughafenbahn für Bangkok.

Große Konkurrenz

Allerdings ist die Konkurrenz enorm: Gemeinsam hat Siemens-Alstom allein in Frankreich 18 Werke, hinzu kommen zahlreiche Standorte in Deutschland, die im Stammhaus in München wohl mehr Gehör finden als die Wiener. Sie alle stehen bei diesem Merger von Siemens Mobility und Alstom auf dem Prüfstand.

Auch Bombardier produziert in Wien.
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Nicht weniger unter Druck steht die kanadische Bombardier mit rund 600 Beschäftigten im Wiener Werk. Auch sie braucht den ÖBB-Auftrag wie einen Bissen Brot, denn nach dem Straßenbahnauftrag der Wiener Linien, dessen Produktion vor Weihnachten Fahrt aufgenommen hat, sieht die Zukunft nicht sehr rosig aus. Wiewohl Bombardier-Österreich-Chef Christian Diewald auf gute Auslastung durch die Talent-3-Schnellbahngarnituren für Vorarlberg und das von der Wiener Lokalbahn bestellte Rollmaterial verweist und damit eine konzerninterne Aufwertung erhofft: Der Druck, den Standort mit Aufträgen abzusichern, ist enorm.

Bei den ÖBB-Schlaf- und Reisezugwagen drängt die Zeit. Zweitere sind für den Italien-Verkehr bestimmt und müssen spätestens 2021 auf Schiene. Da treten in Italien verschärfte Sicherheitsbestimmungen in Kraft, denen das ÖBB-Rollmaterial derzeit nicht genügt. (Luise Ungerboeck, 15.1.2018)