90 Tage gegen das Sterben: Am 23. Jänner um Mitternacht endet die Frist, die US-Präsident Donald Trump seiner Regierung gesetzt hat, um die Drogenkrise im Land anzugehen, die Jahr für Jahr Zehntausende das Leben kostet. Er wolle die Amerikaner von der "Geißel der Sucht befreien", hatte Trump im Oktober angekündigt.

Der von ihm erklärte Notstand gibt den Bundesbehörden eigentlich weitgehend freie Hand und stattet sie mit zusätzlichen Mitteln aus, die es braucht, um der Misere Herr zu werden. Jedenfalls in der Theorie.

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Per Gesetz stattete Trump die US-Grenzschützer mit mehr Rechten bei der Suche nach Fentanyl-Schmugglern aus, deren Ware oft aus China über Mexiko ins Land gebracht wird.
Foto: REUTERS/Carlos Barria

Fast zwei Millionen US-Bürger sind Schätzungen zufolge von Medikamenten abhängig, 600.000 sind süchtig nach Heroin. Ende Dezember veröffentlichte das US-Zentrum für Krankheitskontrolle und Prävention (CDC) neue Zahlen. Allein 2016 sind 64.000 Menschen in den USA an Überdosierungen gestorben, vor allem das Betäubungsmittel Fentanyl tötet in Amerika massenhaft Menschen. 40 Prozent der Todesfälle führt das CDC auf Überdosierungen eigentlich legaler – und verschreibungspflichtiger – Medikamente zurück. Dass die Statistik für 2017 noch verheerender ausfallen wird, gilt als gesichert.

Im Herbst hatte der Präsident eine "wirklich harte, wirklich große, wirklich großartige" Werbekampagne versprochen, die die Bevölkerung über die Gefahren des Drogenkonsums aufklären sollte. Passiert ist bisher freilich wenig. Und auch sonst liegt in puncto Bewältigung der Drogenkrise in den USA einiges im Argen.

"Wir brauchen eine Mauer"

Seine Regierung, versprach Trump, werde sich mit aller Macht gegen die "opioid crisis" stemmen, die laut Statistik vor allem Gebiete betrifft, in denen die meisten Menschen Trump gewählt haben. Noch im Wahlkampf 2016 ortete der republikanische Kandidat – wenig überraschend – den Grund dafür in mangelnder Grenzsicherung:

Und doch ließ der Präsident seinen Worten bisher kaum Taten folgen. Bis heute steht das Office of National Drug Control Policy (ONDCP), in dem die milliardenschweren Antidrogenkampagnen der US-Regierung koordiniert werden, ohne neuen Direktor da, sieben hochrangige Mitarbeiter der Behörde quittierten seit Trumps Amtsantritt ihren Dienst.

Mehr Geld gab es bisher entgegen allen Versprechungen auch nicht. Einem Bericht der Nachrichtenseite "Politico" zufolge weist der Kontostand des Fonds für Gesundheitsnotfälle aktuell ganze 57.000 Dollar (umgerechnet 46.000 Euro) aus – gebraucht würden aber Milliarden.

Dass Bundesstaaten künftig Entzugsmaßnahmen über das Gesundheitsprogramm Medicaid finanzieren dürfen, hatte schon unter der Obama-Regierung für gewisse Erleichterung gesorgt. Andere Ideen Trumps, etwa dass Ärzte suchtlindernde Medikamente auch telefonisch oder über das Internet verschreiben dürfen, wurden hingegen noch nicht umgesetzt. Und auch Trumps Order, Grenzbeamte in Hinkunft genauer auf geschmuggeltes Fentanyl achten zu lassen, trat erst vergangene Woche in Gesetzeskraft.

Tausende US-Bürger sterben jedes Jahr an überdosierten Drogen.
Foto: AFP PHOTO / DOMINICK REUTER

Personell scheint die US-Regierung auch kaum imstande, den großangekündigten Antidrogenkampf des Präsidenten effektiv zu führen. Zwar hat Trump den scheidenden Gouverneur von New Jersey, Chris Christie, zu seinem Berater in Sachen Opioidkrise gemacht. Einen neuen Gesundheitsminister hat er nach dem Abgang von Tom Price Ende September hingegen noch nicht ernannt.

24-jähriger Trump-Fan in Drogenbehörde

Am Wochenende ließ die "Washington Post" schließlich mit einer Recherche aufhorchen, die ein weiteres Licht auf das Personalgebaren der Trump-Regierung wirft. Zum stellvertretenden Kabinettschef im Office of National Drug Control Policy – das bis heute ohne Direktor fungiert – wurde zu Beginn des Jahres nämlich ein gänzlich unerfahrener, dafür dem Präsidenten umso ergebenerer 24-Jähriger ernannt. Sein Name: Taylor Weyeneth, seine Qualifikation: Mitarbeit im Trump-Wahlkampf.

In seinem öffentlich zugänglichen Lebenslauf gab Weyeneth an, einen Masterabschluss in Politikwissenschaft zu besitzen – tatsächlich hat er nach Auskunft der New Yorker St. John's University sein Studium noch nicht abgeschlossen. Gil Kerlikowske, der unter Barack Obama das ONDCP leitete, hält die Personalentscheidung für "furchtbar": "Sie zeigt, dass wir das Drogenthema nicht ernst nehmen."

Im Bundesstaat West Virginia, jenem mit der höchsten Rate an Überdosisopfern in den USA, glaubt man ohnehin nicht mehr daran, dass Trumps angekündigter harter Kampf gegen die Drogenkrise zum Erfolg führt. "Seine Gedanken und Gebete haben geholfen", sagte Gesundheitsminister Rahul Gupta dem Webportal "Politico" nicht ohne Zynismus. "Aber zusätzliche Mittel würden uns noch mehr helfen." (Florian Niederndorfer, 15.1.2018)