Hazel Brugger: "Öffentlich sehe ich besser aus, glaube ich. Privat bin ich dafür lustiger. Aber die Grenze ist an guten Tagen der Bühnenrand, an schlechten Tagen die Wohnungstür."

Foto: Ornella Cacace

Wien – "Sie sind schon in der Apokalypsestimmung", antwortet Hazel Brugger dem Saalapplaus. Der hatte goutiert, dass laut ihr WU-Studenten mit Strickpulli über den Schultern in der österreichischen Regierung säßen. Sie würde da nicht klatschen. Sonst war die Schweizerin, am Sonntag zu Gast im Wiener Stadtsaal, unpolitisch. Von einem Tisch am Bühnenrand habe sie vor Beginn noch das schwarze Tischtuch herunternehmen lassen, damit sich das Publikum nicht frage, was die kleine quadratische Frau in der Burka da mache.

Hazel Brugger passiert ist nicht nur der Titel des Programms, sondern auch dessen Struktur. Eine Kernnummer bildet der Tod durch Snackautomaten, der jedes Jahr zehn Menschen – die dümmsten – ereile. Die selektive Maschine steht diesmal in Klagenfurt. Ein weiterer Schmäh: Schnittblumen sind auch bei Brugger Sinnbild für die Liebe. Doch nicht ihrem Wesen als Geschenk nach, denn eine Eingeborenenfrau würde sie "fressen, womit sie auch recht hat". Sondern indem man dem Partner wie den eingefrischten Pflanzen fortan "beim Zerfall zusieht".

Eins führt zum anderen, zwischen die größeren Nummern schieben sich knappe Witzchen, wie dass sie nicht flirten könne oder ihre Mutter so optimistisch sei wie ein Golden Retriever. Wessen Handy während der Show läute, der reibe anderen unter die Nase, dass er soziale Kontakte hat.

Karriereturbo AfD

Die 24-Jährige ist der aktuell erfolgreichste Kabarett-Export der Schweiz. Mehr noch, für die meisten wohl der einzige, den sie kennen. "Viele Schweizer treten auf Schweizerdeutsch auf, entgegen der Meinung, dass man das verstehen kann, ist die Sprachbarriere dann oft doch zu groß", erklärt sie dem STANDARD. Die Sprachbarrieren hat sie überwunden. Die Humorunterschiede kennt sie: "Deutschland und Österreich hatten Hitler, die Schweiz nicht. Das merkt man irgendwie schon. In der Schweiz dauert es länger, bis die Leute begeistert sind, dafür kann man danach alles sagen, was man will. In Deutschland steigen die Leute früh ein, werden dann aber im Hinterkopf oft von der Moral eingeholt, bevor es so richtig eskaliert. Österreicher lachen über sehr abstruse Dinge, plus morbid soll es sein."

Auf Hochdeutsch wurde sie denn auch 2016 für die Heute Show im ZDF das, was Peter Klien als Außenreporter für Willkommen Österreich ist. "Ich bin 22, habe immer noch kein Kind. Was mache ich falsch?", fragte sie beim ersten Einsatz beim Parteitag der AfD nach deren Frauenbild. Das zündete den Karriereturbo.

Hazel Bruggers erster TV-Einsatz 2016 in der "Heute Show".
Olaftology

Mittlerweile kommen die Politiker in ihre Bastelecke Do It Yourself, um neben dem Herstellen von Handy-Gadgets oder Käsefondue kuriose bis sehr direkte Fragen zu beantworten. Warum Volksvertreter da für ein bisschen PR mitmachen? "Die Politik scheint gut eingebetteter Teil einer Gesellschaft zu sein, die gefühlsgesteuerten Personenkult betreibt."

Nicht friktionsfrei: Dorothee Bär bei Hazel Brugger in "Do It Yourself".
ZDF heute-show

Dorothee Bär von der CSU versuchte angesichts dessen Ende Dezember die kecke Offensive: "Ich bin eigentlich nur da, um meinen Instagram-Account zu promoten." Es wäre verständlich, hätte sie sich letztlich über den Auftritt geärgert. Einstudierte Witze sind das eine, Spontanität was anderes. Brugger kann beides.

Poetry Slams, Kolumnen, Kabarett

Angefangen hat die in den USA geborene und nahe Zürich aufgewachsene Tochter eines Neuropsychologen und einer Lehrerin mit Poetry-Slams, die sie heute "Paralympics der Literaturszene" nennt. Statt Philosophie und Literatur fertigzustudieren, beginnt sie für Magazine zu schreiben und wird von Kollegen zur "Schweizer Kolumnistin des Jahres" gekürt. 2015 entsteht das erste und immer noch aktuelle Kabarettprogramm.

Der Auftritt am Sonntag war ausverkauft, für Termine in Wien, Linz und Salzburg im November gibt es Restkarten. "Es ist schön, dass ich mir keine Sorgen machen muss um genügend Arbeit, aber unschön, dass ich ständig überlege, ob ich nicht zu viel arbeite. Das sollte man so früh im Leben noch nicht müssen", kommentiert sie ihren Erfolg. 2017 gewann sie drei wichtige Preise: den Salzburger Stier, den Swiss Comedy Award und den Deutschen Comedypreis.

Ein Auftritt von Hazel Brugger bei "Die Anstalt".
ZDFlachbar

In der Schweiz klatschen die Leute schriftlich, man bekomme drei Wochen später einen Brief, es habe gefallen, lautet eine Nummer Bruggers über ihre Heimat. Eine andere besagt: In der Schweiz habe man keine Emotionen, dafür aber Geld, und zwar reichlich. "Meinem Gesicht fehlen etwa 200 Muskeln, damit ich knuffig wirke", behauptet Brugger diesmal auf der Bühne. Die ausdruckslose Miene beglaubigt den klugen trockenen Humor mit den schlüpfrigen Einsprengseln.

Sie sprach einmal von einer Lach- und einer Denkebene, die sie verbinden wolle. "Wenn es einleuchtet, ich es aber noch nicht selber gedacht habe", finde sie etwas lustig, meint Brugger zum STANDARD, kann aber auch anders: "Oder wenn es ein Tier ist mit einer Perücke." Man versuche immer zu definieren, wo der Spaß aufhört, meint sie gefragt nach Political Correctness. "Aber wo fängt er denn an? Keine Ahnung. Wenn ich es lustig finde, ist es noch innerhalb der Grenzen, wenn nicht, dann nicht."

Lacher auf eigene Kosten

Comedy ist ja oft selbst unheimlich populistisch. Aber bevor Brugger eine soziale Gruppe angreift, gehen Lacher eher auf ihre eigenen Kosten. Sie versucht auf der Bühne keinem gefälligen Bild zu entsprechen. Wie es als Frau in der Comedy-Szene sei, fragt sie in Passiert? Sie rutsche eben einmal im Monat auf der Bühne aus. Nein, sie wisse nicht, wie es ist, jemand anders und woanders zu sein. Doch angesprochen auf #MeToo, meint sie: "Jeder, der überrascht ist von Geschichten über sexuelle Belästigung, hat keine Ahnung vom Unterhaltungsbetrieb, Macht, und Menschen allgemein."

Hazel Brugger zu Gast bei Stermann und Grissemann.
Gagolero

Warum junge Frauen mit launigen Wortmeldungen vielen ein besonderes Feindbild sind? "Es ist einfach, jemanden für Oberflächliches wie Geschlecht und Alter zu kritisieren, dann muss man sich nicht zu sehr mit Inhalten beschäftigen." Davon ist es nicht weit zu populistischen Bewegungen und neokonservativen Einstellungen der letzten Jahre: "Je flacher der Inhalt und breiter die Interessen werden, desto dünner wird das Sitzfleisch. Dünnes Sitzfleisch ist Futter fürs Reaktionäre."

Zwei Stunden Sitzfleisch fordert Passiert. Durchwachsen gibt sich eine gegen Ende vorgetragene, selbstverfasste Rezension dazu. Es ist über zwei Jahre her, dass das Programm entstand. Heute wirkt es, so viel Kritik darf sein, wie eine noch etwas zu eklektisch geratene Ernte. Man wartet gespannt auf Kommendes. (Michael Wurmitzer, 15.1.2018)