Der ins Wasser geht: Oleg Soulimenko in "Swimming Pool".

Foto: Franzi Kreis

Wien – Die Luft ist feucht, warm und schwer, im Bassin schimmert das spiegelglatte Wasser. Die Badegäste sind gegangen, und die Halle des öffentlichen Bades hat sich in ein Treibhaus der Geheimnisse verwandelt. An diesen versucht der Wiener Choreograf Oleg Soulimenko in seinem Stück Swimming Pool, das am Sonntag als Programmteil des Brut-Theaters im Jörgerbad uraufgeführt wurde, zu rühren.

Das Publikum kann die Performance auf der Beckenebene der Halle sehen, aber auch auf den beiden Galerien von oben. Zwei Tänzerinnen, ein Performer, der Choreograf selbst, ein Taucherpaar und ein Dutzend Schwimmer sind involviert. Wer erwartet, kessen Nixentanz oder Kombinationen schöner Unterwasserfiguren zu sehen, wird überrascht davon, wie ruhig sich der Beginn des Stücks hinzieht. Eine Einstimmung auf die vielen Bedeutungen, die das klare Nass für uns Fruchtwasserabkömmlinge hat.

Milch, Spinat und Badesalz

Allerlei Seltsames tut sich. Manches ist provokant banal, anderes wie Zitatenmaterial aus einem Film – oder einem Drama, das dann nicht stattfindet. Ein Mann (Soulimenko) in Hose und weißem Hemd geht ins Wasser und stößt ein Wölkchen roter Flüssigkeit aus, das im Nu verschwindet. Ein Theremin jammert. Eine schillernde Alu-Schlange zieht sich über den Beckenboden. Das Taucherpaar errichtet eine Unterwasserinstallation.

Soulimenko schüttet Milch, Spinat und Badesalz in die Überlaufrinne. Das Zeug verschwindet ohne weitere Folgen in den Tiefen der Wiener Kanalisation. Zwei Tänzerinnen rühren das Wasser auf, und dieses macht ungerührt mit. Wasser tendiert dazu, in seinen ursprünglichen Zustand zurückzukehren. Es konserviert keine Spuren. Und es hat alle Zeit der Welt. Oleg Soulimenko verhängt die große Uhr über dem Becken.

Vom Wasser Geduldete

Die Körper der Schwimmer sind nur geduldet vom Wasser als Medium, das ihnen unversehens auch zum Killer werden könnte. Nie ist Wasser komisch, aber mit der Zeit stiehlt es allen die Show, die keine Fische sind. Ohnehin tendiert es dazu, still zu werden – und stille Wasser sind tief, auch im Nichtschwimmerbereich.

Swimming Pool ist ein tückisches Stück Performance. Zu ruhig, um als Entertainment durchzugehen, aber dann doch zu lebendig, um das Publikum in meditative Zustände gleiten zu lassen. Soulimenko geht das Risiko ein, sich in den Mahlstrom der kulturellen Bedeutungen dieses sehr analogen Mediums zu begeben, das im Mythos weiland schon den Narkissos zum Narren gehalten hat.

Trügerische Transparenz

Schwer zu sagen, ob bei der Uraufführung schon alles nachvollziehbar wurde, woran der Choreograf und seine Mitschwimmer in diesem Stück experimentieren. Ob das Unheimliche der trügerischen Transparenz des Wassers sich auch wirklich zu erkennen gab oder ob es das Kunstwerk nicht in mildem Spülen hinabgezogen hat in eine allzu sedierende Wirkung.

Andererseits taucht gerade aus dieser Unklarheit der Fluch der Ambivalenz dieser unergründlichen Flüssigkeit auf. Swimming Pool ist rätselhaft genug, um nicht ins Wasser zu fallen, und macht mit einiger Ironie klar, dass das Wasser bei aller ihm eigenen Ungerührtheit jene, die sich damit spielen, recht komisch aussehen lassen kann. (Helmut Ploebst, 16.1.2018)