Klein und weiß statt groß und blau: der neue "Guardian".

Foto: Guardian

Kleiner ist ihr Blatt geworden, aber auf eines legt Katharine Viner doch Wert: "Wir haben mehr Wörter in der heutigen Ausgabe als vergangene Woche", sagt die Chefredakteurin des linksliberalen "Guardian". Die Umstellung der Druckauflage aufs Tabloid-Format habe handfeste finanzielle Gründe, das Unternehmen werde dadurch mehrere Millionen jährlich sparen. "Aber", beteuert die 46-Jährige, "wir bleiben ein Standort für große Ideen."

Einstmals großflächige Abonnementzeitungen, die im Gewand eines Boulevardblattes daherkommen, gibt es auf der Insel seit mehr als zehn Jahren. Der mittlerweile nur noch online erscheinende "Independent" sowie "The Times" sind diesen Weg gegangen, ohne an inhaltlicher Substanz verloren zu haben. Dass Viner im wichtigen BBC-Magazin "Today" interviewt wird, hat einen besonderen Grund: Der 197 Jahre alte "Guardian" kommt von einer Sondergröße, dem sogenannten Berliner Format wie DER STANDARD und "Die Presse", die Berliner "taz" und die "Neuen Zürcher Zeitung"

Die Umstellung begeisterte vor 13 Jahren die Designfreaks weltweit, das Blatt heimste einen Preis nach dem anderen ein. Verlagsmanager hingegen wiegten bedenklich die Köpfe: Für das in Großbritannien unbekannte Format mussten eigens 90 Millionen Euro teure Druckmaschinen angeschafft werden, die zudem viel zu häufig stillstanden.

800.000 zahlen freiwillig

Seit 2005 ist die gedruckte Auflage weiter zurückgegangen, zuletzt lag sie bei täglich 147.000 Exemplaren. "The Guardian" erreicht hingegen im Jahresdurchschnitt 150 Millionen Menschen online, rund 800.000 zahlen freiwillig einen Beitrag für die bisher ohne Bezahlschranke auskommende Website.

Zwischen ihrer 1821 im nordenglischen Manchester gegründeten Zeitung und der Leserschaft gebe es "eine besondere Beziehung", schwärmt Viner. "Wir wollen etwas bewirken, unsere Gegenwart verstehen und erklären."

Erklären musste die Chefin ihrem Team in den knapp drei Jahren seit ihrem Amtsantritt immer wieder, dass dem Unternehmen das Geld ausgeht und schmerzhafte Sparprogramme notwendig seien. Die unter Viners Vorgänger Alan Rusbridger aufgeblähte US-Redaktion wurde stark reduziert, auch im eleganten Stammsitz hinter Londons Bahnhof King's Cross mussten viele Redakteure gehen.

Nachrufe zum Sammeln

Lag der Verlust im vergangenen Jahr noch bei 42,7 Millionen Euro, wollen die Manager das Defizit in diesem Jahr auf 28 Millionen Euro drücken. "Und nächstes Jahr wollen wir den Break-even erreichen", sagt Viner.

Der Formatänderung ist das Signalblau auf der Titelseite zum Opfer gefallen, das neue Logo steht in Schwarz-Weiß, das Wort "Guardian" wird wieder groß geschrieben. Das schon bisher in Tabloid-Größe gedruckte "g2" mit bunten Themen und Kulturberichterstattung ist als Beilage erhalten geblieben, das eigene Sportbuch hingegen fiel der Neuerung zum Opfer – in Familien sicher kein Anlass zur Freude.

Kommentare, Nachrufe und Rätsel finden sich neuerdings in einem herausnehmbaren Teil in der Mitte des Blattes. Gedruckt wird künftig auf Maschinen von Trinity Mirror, Herausgeber der Labour-nahen Boulevardzeitung "The Mirror". (Sebastian Borger, 15.1.2018)