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Geht es nach ÖVP und FPÖ, so könnten in Zukunft Südtiroler bei einer Reise nach Österreich sozusagen nach Hause kommen: Für sie soll es die Möglichkeit einer Doppelstaatsbürgerschaft geben.

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Der Südtiroler Landeshauptmann Arno Kompatscher ist dagegen, einen "nationalistischen Ansatz zu verfolgen".

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Frage: Im österreichischen Regierungsprogramm wird die Möglichkeit einer Doppelstaatsbürgerschaft für Südtiroler angeregt. Warum sorgt das für Aufregung?

Antwort: Eigentlich lässt Österreich Doppel- oder Mehrfachstaatsbürgerschaften gar nicht zu. Ausnahmen – etwa bei Prominenten oder bei Personen, deren Eltern unterschiedliche Nationalitäten haben – bestätigen die Regel. Im Falle Südtirols trifft das aber nicht zu, außerdem sorgt die Formulierung – "Angehörige der Volksgruppen deutscher und ladinischer Muttersprache in Südtirol" – für Unklarheit: Hier geht es nicht um eine tatsächliche ethnische Zugehörigkeit, sondern um eine jeweils selbstgewählte Zuordnung im Zusammenhang mit dem ethnischen Proporz in Südtirol.

Frage: Das heißt, dass die Angehörigen der jeweiligen Muttersprachen nicht zwingend "Italiener", "Deutsche" oder "Ladiner" sind?

Antwort: Ja und nein. Der ethnische Proporz soll als gesetzliche Rahmenrichtlinie dazu dienen, bei der Vergabe von Jobs im öffentlichen Dienst und bei der Verteilung von Sozial- und Finanzleistungen Fairness herzustellen. Bei der verpflichtenden "Sprachgruppenzugehörigkeitserklärung" ist man frei in der Entscheidung, zu welcher Gruppe man gehören möchte. Da rund zwei Drittel der Jobs und Leistungen proporzmäßig an die deutschsprachige Volksgruppe gehen, bekennt sich so mancher Südtiroler dazu – auch wenn er de facto der italienischen Sprachgruppe angehört. Letztlich ist die Formulierung der österreichischen Regierung ungenau: Sie meint eigentlich die Nachfahren der deutschsprachigen Altösterreicher, spricht tatsächlich aber oft auch solche Personen an, die von der Abstammung her tatsächlich Italiener sind.

Frage: Was bezweckt also die Regierung in Wien mit diesem Vorstoß?

Antwort: Im Regierungsprogramm beruft man sich auf den "Geist der europäischen Integration" und auf die "Förderung einer immer engeren Union der Bürgerinnen und Bürger der Mitgliedstaaten". Tatsächlich hat man damit in Südtirol vielerorts für Unruhe gesorgt. Nicht Vereinigung, sondern Radikalisierung werde damit betrieben, sagte kürzlich der prominente Südtiroler Extrembergsteiger und ehemalige EU-Parlamentarier Reinhold Messner zum STANDARD. Er ortet auch wahltaktische Gründe, denn diese neuen österreichischen Staatsbürger wären auch hierzulande wahlberechtigt. Davon dürften, zumindest vorerst, die ÖVP und FPÖ als Proponenten dieser Neuerung profitieren.

Frage: Und was halten die Südtiroler Politiker selbst davon?

Antwort: Jene Bewegungen und Gruppen, die für Unabhängigkeit oder mehr Autonomie von Rom plädieren, begrüßen die Initiative. Der Südtiroler Landeshauptmann Arno Kompatscher von der regierenden Südtiroler Volkspartei (SVP) bremst hingegen: Man dürfe "keinen nationalistischen Ansatz verfolgen", sagte er am Wochenende. Dabei sei er nicht gegen eine Doppelstaatsbürgerschaft an sich, sondern er würde diese sogar weiter fassen, etwa auch die Nachfahren der italienischsprachigen Altösterreicher einbeziehen, "damit das nicht eine rein ethnische Angelegenheit ist".

Frage: Und wie reagiert Rom?

Antwort: Nach außen hin gibt sich die italienische Regierung gelassen, das wird auch Außenministerin Karin Kneissl bei ihrem Antrittsbesuch am heutigen Dienstag in Rom so erleben. Tatsächlich, so hört man aber in den Korridoren des Außenministeriums in Rom, sei man perplex. Außenminister Angelino Alfano mahnte die unbedingte Einhaltung des Gruber-De-Gasperi-Abkommens von 1946 ein, das die Basis der heutigen Autonomie Südtirols darstellt – einer Regelung, die weltweit als Vorbild in autonomiepolitischen Fragen angesehen ist. Kneissl hat bereits versichert, es werde kein einseitiges Vorgehen Wiens geben. (Gianluca Wallisch, 16.1.2018)