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Archivbild aus dem Jahr 2008: Dave Brubeck (1920-2012) haut in Kalifornien in die Tasten. Einer neuen Studie zufolge laufen bei Jazzpianisten andere Prozesse im Gehirn ab als bei klassischen Pianisten.

Foto: Reuters

Leipzig – Dass Musiker ein anderes Gehirn haben als Nicht-Musiker, ist schon lange bekannt. Musik zu machen bedeutet ein kompliziertes Zusammenspiel verschiedener Fähigkeiten, das sich in der Ausprägung von Hirnstrukturen widerspiegelt. Wie fein dabei die Unterschiede sind, haben nun Wissenschafter des Max-Planck-Instituts für Kognitions- und Neurowissenschaften (MPI CBS) in Leipzig entdeckt: Sie fanden heraus, dass bei Jazz- und klassischen Pianisten unterschiedliche Hirnprozesse ablaufen, während sie Klavier spielen – selbst, wenn sie das gleiche Musikstück wiedergeben.

Keith Jarrett, ein weltberühmter Jazz-Pianist, sei einmal gefragt worden, ob er sich vorstellen könne, in einem Konzert sowohl Jazz als auch Klassik zu spielen, heißt es in einer Aussendung des Max-Planck-Instituts. Er habe geantwortet: "Nein, ich glaube, das wäre Wahnsinn. Dein System baut für beide Richtungen auf unterschiedliche Schaltkreise." Nun habe man entdeckt, dass dahinter eine neurowissenschaftliche Erklärung stecken könnte.

Stilistische Abläufe

"Der Grund dafür könnte in den unterschiedlichen Fähigkeiten liegen, die die beiden Musikstile von den Musikern fordern – sei es ein klassisches Stück einfühlsam zu interpretieren oder eine Jazzmelodie einfallsreich zu variieren", sagte Daniela Sammler, Leiterin der im Fachblatt "NeuroImage" veröffentlichten Studie. "Dadurch scheinen sich unterschiedliche Abläufe im Gehirn etabliert zu haben, die während des Klavierspielens ablaufen und den Wechsel in einen anderen Musikstil erschweren."

Ein wesentlicher Unterschied liege in der Planung von Bewegungen beim Klavierspielen, so die Forscherin. Prinzipiell müssen Pianisten, unabhängig von der Stilrichtung, zunächst wissen, welche Tasten sie mit welchen Fingern bedienen. Was jedoch je nach Musikrichtung variiert, ist die Gewichtung dieser beiden Schritte. Demnach konzentrieren sich klassische Pianisten auf den zweiten Schritt, also das "Wie". Für sie geht es darum, ein Stück technisch einwandfrei und persönlich ausdrucksstark wiederzugeben.

Gefasst auf Improvisation

Jazzer fokussieren hingegen vor allem auf das "Was". Sie seien stets darauf vorbereitet, zu improvisieren und ihr Spiel an überraschende Harmonien anzupassen, sagte Roberta Bianco, Erstautorin der Studie. "Tatsächlich konnten wir die bei Jazzpianisten trainierte Flexibilität beim Planen von Harmonien während des Klavierspiels auch im Gehirn sehen", so die Forscherin.

Untersucht wurden die Zusammenhänge an 30 professionellen Pianisten. Sie bekamen auf einem Bildschirm eine Hand zu sehen, die eine Abfolge von Akkorden auf einem Klavier spielte, gespickt mit Stolperfallen in den Harmonien und den Fingersätzen. Die Profis sollten es der Abbildung nachtun, während ihre Hirnsignale erfasst wurden. "Anhand dieser Tests haben wir gesehen, wie feinjustiert sich das Gehirn auf die Anforderungen seiner Umwelt einstellt", so Sammler. (APA, red, 16.1.2018)