So sieht ein Unterwasservulkan aus: Der Vulkan Havre, 1.000 Kilometer von Neuseelands Nordinsel entfernt.
Foto: University of Tasmania/ WHOI

Hobart/Wien – Das erste Zeichen des Ausbruchs, das man registrieren konnte, gab zunächst Rätsel auf: Es trieb nämlich auf offener See. Flugzeugpassagiere, die im Juni 2012 die Gegend nördlich von Neuseeland überflogen, sahen ein immerhin 400 Quadratkilometer großes Gebilde, das auf dem Meer trieb.

Genauere Untersuchungen der schwimmenden Formation von der Größe der Stadt Wien zeigten, dass es sich dabei um ein riesiges Floß aus Bimsstein handelte. Wo aber Bimsstein ist, kann auch ein Vulkan nicht weit sein. Und je mehr Bimsstein, desto größer die Eruption.

Der Ausbruch des Havre-Vulkans, das Bimssteinfloß und dessen "Zerstreuuung" im Sommer 2012.
Fotos: Martin Jutzeler et al., Nature Communications

"Wir wussten gleich, dass hier ein gewaltiger Ausbruch stattgefunden haben muss", sagt Rebecca Carey von der University of Tasmania in Hobart, die sich mit Kollegen auf die Suche nach dem Tatverdächtigen machte, der irgendwo unter Wasser tätig geworden war.

Eine riesige Caldera

Der Verdacht fiel schnell auf den Havre-Unterseevulkan im Kermanedec-Bogen rund 100 Kilometer nordöstlich von Neuseeland – genau dort, wo die Pazifische Erdplatte unter die Australische Platte abtaucht. Wie Sonarmessungen eines Forschungsschiffs ergaben, hat allein die Caldera des Vulkans, der in rund 1.000 Metern Tiefe liegt, einen Durchmesser von fast fünf Kilometern.

3-D-Grafik der 4,5 Kilometer breiten Caldera des Vulkans. Rot markiert ist die Lava, die 2012 austrat.
GRafik: University of Tasmania/WHOI

Doch Rebecca Carey und ihr internationales Team, die 2014 in "Nature Communications" auch schon das Bimssteinfloß untersuchten, wollten es genauer wissen und starteten mit internationalen Partnern in den USA 2015 eine Unterwasser-Expedition zum Havre-Vulkan – eine Premiere in der Vulkanologie. Die Rechercheergebnisse, die Carey und Kollegen nun im Fachblatt "Science Advances" veröffentlichten, geben Zeugnis davon, dass sich die aufwendige Expedition ausgezahlt hat.

80 Prozent Bimsstein

Die Aufnahmen der Tauchroboter zeigten 14 Lavaschlote, aus denen gewaltige Mengen Lava ausgetreten sind. Davon zeugen bis zu 500 Meter breite und 30 Meter hohe Lavazungen am Rand der Caldera.

Aufnahmen des Tauchroboters, die riesige Bimssteinbrocken zeigen, die am Meeresgrund verblieben.
Fotos: University of Tasmania/WHOI

Laut den Schätzungen der Forscher dürfte der Havre-Vulkan 2012 durch diese Schlote mehr als 0,2 Kubikkilometer Magma in Form von Lava freigesetzt haben. Noch gewaltiger waren aber die Bimssteinmengen, die etwa 80 Prozent des Gesamtauswurfs ausmachten, aber mit den Meeresströmungen wegtransportiert und an die Küsten Australiens und mikronesischer Inseln gespült wurden.

Mehr Material als bei Mount St. Helens

Entsprechend konnten die Vulkanologen nur grobe Berechnungen anhand des Bimssteinfloßes anstellen, das die Forscher zum Vulkan geführt hatte. Zusammengenommen dürfte der Havre-Vulkan bei seiner Eruption 2012 eineinhalbmal mehr Material ausgestoßen haben als der Mount St. Helens im Mai 1980 in den USA: der größte Vulkanausbruch der letzten Jahrzehnte, der an Land stattfand.

Eine Zusammenfassung der Forschungsergebnisse im Video-Format.
nemesis maturity

Schließlich versuchten die Forscher anhand dieser Spuren aber auch noch, den Ablauf des Ausbruchs zu rekonstruieren, der sich als recht komplex und ungewöhnlich herausstellte: Denn der Untersee-Vulkan stieß allem Anschein nach gleich von Beginn an eine Mischung aus Asche, Bimsstein sowie flüssiger und zähflüssiger Lava aus.

Dieser Aspekt und auch die anderen neuen Erkenntnisse seien nicht zuletzt deshalb von Relevanz, so die Forscher, weil nicht weniger als 80 Prozent aller Vulkane der Erde unter dem Meeresspiegel liegen. (Klaus Taschwer, 16.1.2018)