Simone Biles mit einer von vier olympischen Goldmedaillen.

Foto: APA/AFP/TOSHIFUMI KITAMURA

East Lansing – Die vierfache Turn-Olympiasiegerin Simone Biles ist nach eigenen Worten von dem ehemaligen US-Mannschaftsarzt Larry Nassar sexuell missbraucht worden. "Auch ich bin eine der vielen Überlebenden, die von Larry Nassar sexuell missbraucht worden sind", erklärte die zehnfache Weltmeisterin am Montag auf Twitter.

Sie habe mit sich gerungen, damit an die Öffentlichkeit zu gehen, seitdem der Missbrauchsskandal um Nassar öffentlich geworden sei, erklärte die 20-Jährige – "und je stärker ich versucht habe, die Stimme in meinem Kopf zum Schweigen zu bringen, umso lauter wurde sie." Sie habe keine Angst mehr, ihre Geschichte zu erzählen.

Nassar war Anfang Dezember wegen des Besitzes von Kinderpornografie zu 60 Jahren Haft verurteilt worden. Der 54-Jährige hatte sich in dem Verfahren schuldig bekannt. Die Ermittler hatten auf seinen Computern mehr als 37.000 Fotos und Videos kinderpornografischen Inhalts gefunden. Nassar ist zudem in zwei weiteren Verfahren wegen sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen angeklagt. Das Strafmaß in diesen Verfahren soll im Jänner verkündet werden.

Nassar hat auch den Missbrauch eingestanden. Er war fast 30 Jahre lang der Arzt der US-Turnerinnen und soll in dieser Zeit zahlreiche Sportlerinnen im Alter von unter 15 Jahren missbraucht haben. Gegenüber den Mädchen hatte er seine sexuellen Handlungen als Teil einer Untersuchung oder Behandlung dargestellt.

"Weiß jetzt, dass es nicht mein Fehler war"

Biles schrieb, es gebe "zahlreiche Gründe", die sie hätten zögern lassen, mit ihrer Geschichte an die Öffentlichkeit zu gehen. "Ich weiß jetzt, dass es nicht mein Fehler war" und nicht die eigene "Schuld". "Es ist nicht normal, eine solche Behandlung von einem vertrauten Arzt zu erhalten." Dieses Verhalten sei "völlig inakzeptabel, widerwärtig und missbräuchlich".

Nach 15 Monaten Pause nach den Olympischen Spielen von Rio 2016 nahm Biles im vergangenen November das Training wieder auf. Ihr Ziel sind die Weltmeisterschaften im Herbst in Doha. Bei den Spielen in Tokio 2020 will sie ihre Titel verteidigen.

"Es ist unglaublich schwierig, diese Erlebnisse noch einmal zu durchleben, und bei dem Gedanken, für die Verwirklichung meines Traums in Tokio anzutreten regelmäßig in das Trainingszentrum zurückkehren zu müssen, wo ich misshandelt wurde, bricht mir noch mehr das Herz", erklärte die Turnerin.

Unterstützung

Neben Biles haben auch die drei Goldmedaillen-Gewinnerinnen Aly Raisman, McKayla Maroney und Gabby Douglas Vorwürfe gegen Nassar erhoben. Raisman reagierte auf Twitter auf die Äußerungen ihrer Teamkollegin: "Du bist unglaublich, Simone. Ich stehe Dir bei", schrieb sie. "Ich weiß, dass wir alle das gemeinsam überstehen werden." (APA, 16.1.2018)