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Martin Schulz hört auf die Basis.

REUTERS/Wolfgang Rattay

Berlin – Der SPD-Spitze bläst bei ihrem Werben für die Zustimmung zu Koalitionsverhandlungen mit der Union weiter kräftiger Gegenwind ins Gesicht. Mit den Berliner Sozialdemokraten sprach sich am Montagabend der zweite Landesverband gegen die Bildung einer großen Koalition aus. In Dortmund konnte Parteichef Martin Schulz die Basis nach Worten der Bezirksvorsitzenden Nadja Lüders nicht überzeugen.

Am Dienstagabend wollen Schulz und Fraktionschefin Andrea Nahles bei den Genossen in Düsseldorf für das Sondierungsergebnis werben. Unterdessen warf Umweltministerin Barbara Hendricks Teilen von CDU und CSU vor, durch Störmanöver die Bildung einer Regierung von Union und SPD zu hintertreiben. "Da sind Frondeure am Werk, die eine versteckte Agenda verfolgen", sagte die SPD-Politikerin, die für Koalitionsverhandlungen eintritt, der "Neuen Osnabrücker Zeitung".

"Wir lehnen die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen mit der Union ab und appellieren an alle Delegierten zum Bundesparteitag, sich unserem Votum anzuschließen", erklärte der Berliner Landesvorstand. Die Berliner SPD stellt 23 der 600 Delegierte des Sonderparteitags, der am Sonntag in Bonn über die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen entscheidet. Die Delegierten des Landes sind wie alle anderen an Beschlüsse ihrer Landesvorstände aber nicht gebunden.

Auch Sachsen-Anhalt dagegen

Am Wochenende hatte bereits ein Landesparteitag der SPD in Sachsen-Anhalt mit knapper Mehrheit gegen Koalitionsverhandlungen gestimmt. Der Verband entsendet sechs Delegierte. Für Koalitionsverhandlungen haben sich die niedersächsische SPD-Spitze ausgesprochen, deren Landesverband mit 81 Delegierten die zweitgrößte Gruppe beim Parteitag stellt, sowie die Brandenburger SPD, die zehn Delegierte entsendet.

Der stärkste Verband mit 144 Delegierten ist Nordrhein-Westfalen. Dort warb Schulz am Montagabend in Dortmund. "Auch wenn Martin Schulz gestern sehr detailliert die einzelnen Punkte des Sondierungspapiers vorgestellt hat, hat er uns nicht überzeugt", sagte die Unterbezirks-Vorsitzende Lüders dem SWR. Schulz habe sein bestes getan, um die Dortmunder SPD-Basis umzustimmen, "gleichwohl ist für uns in dem Papier nicht wirklich die sozialdemokratische Handschrift für einen grundlegenden Politikwechsel erkennbar". Lüders kritisierte, dass weder eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes noch eine Bürgerversicherung im Sondierungspapier stünden.

Der als möglicher Nachfolger von Kanzlerin Angela Merkel geltende CDU-Staatssekretär Jens Spahn sagte zu diesen Punkten: "Unsinn muss man halt verhindern." Die SPD verbeiße sich in das, was aus ihrer Sicht fehle, und scheine Erfolg daran zu messen, wie sehr man der Union "einen reingedrückt" habe. "Das ist Selbstverzwergung", sagte das CDU-Präsidiumsmitglied in einem Interview mit t-online.

In der wöchentlichen Insa-Umfrage für "Bild" sackte die SPD weiter ab und erreichte mit 18,5 Prozent den niedrigsten Wert, den das Institut je für die Sozialdemokraten gemessen hat. Die Union verharrt in der ersten Insa-Umfrage nach der Sondierung bei 31,5 Prozent.

CSU will Obergrenze

Unterdessen kritisierte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann Schulz wegen dessen Interpretation der Sondierungsabmachungen zum Flüchtlingszuzug. Der CSU-Politiker bezog sich auf Anmerkungen von Schulz, der die in dem Sondierungspapier genannte Zahl von maximal 220.000 Flüchtlingen nicht als feste Grenze verstanden wissen will. "Wenn mehr als 220.000 kommen, dann kommen mehr als 220.000", hatte Schulz gesagt. Herrmann sagte im Deutschlandfunk, im Sondierungspapier stehe klar, dass diese Richtgröße nicht überschritten werden solle. Im vergangenen Jahr kamen nach Angaben des Bundesinnenministeriums 186.644 Asylsuchende nach Deutschland.

CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sprach sich indes für Tempo in den Verhandlungen aus. "Ich kann nur zu absoluter Geschwindigkeit raten", sagte Dobrindt am Dienstag in Berlin. Er sei sehr sicher, dass der SPD-Parteitag am 21. Jänner der Aufnahme von Verhandlungen zustimmen werde. "Ich freue mich darauf, dass wir dann am Montag mit Koalitionsverhandlungen beginnen können." Danach habe man zwei Wochen Zeit, die Verhandlungen abzuschließen.

Die CDU von Kanzlerin Merkel zeigte sich indes offen für Nachverhandlungen mit den Sozialdemokraten. ´Die Sondierungen seien halbe Koalitionsverhandlungen gewesen – aber eben nur halbe, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der Unions-Fraktion, Michael Grosse-Brömer. Natürlich könnten in Koalitionsverhandlungen auch neue Themen aufgerufen werden. (APA, 16.1.2018)