Serra Pelada ist ein Eukrit und stammt wohl vom Asteroiden Vesta. Die Scheibe wiegt 23,14 Gramm.

Foto: NHM/Ferrière

Kheneg Ljouâd ist zur Zeit der jüngste anerkannte Neuankömmling aus dem Weltall. Der gewöhnliche Chondrit ist als LL5/6 klassifiziert, das Stück des NHM wiegt 359,78 Gramm und zeigt Regmaglypten, die nach dem Eintritt in die Erdatmosphäre entstanden sind.

Foto: NHM/Ferrière

Sericho wurde in Kenia gefunden und gehört als Pallasit zu der Gruppe der Stein-Eisen-Meteorite. Deutlich sind die Olivinkristalle zu sehen.

Die Scheibe des NHM wiegt 350,56 Gramm.

Foto: NHM/Ferrière

Northwest Africa 10599 ist eine feldspatische Brekzie und stammt vom Mond. Die Scheibe wiegt 4,54 Gramm und wurde von den US-amerikanischen Sammlern Frank und Tricia Carroll gespendet.

Foto: NHM/Ferrière

Wien – Als Ende der 1970er Jahre die Erzählung über Goldfunde im Osten des brasilianischen Bundesstaates Pará die Runde machte, löste dies den größten Goldrausch der Geschichte Südamerikas aus. Innerhalb kürzester Zeit stürmten hunderttausende Garimpeiros genannte Goldsucher die Serra Pelada. Weltberühmt wurde die Mine durch die Bilder des Fotografen Sebastião Salgado: Wie Ameisen klettern die Garimpeiros in langen Reihen mit dem Aushub den Kraterrand hinauf. Schätzungen zufolge wurden auf diese Weise mehrere hundert Tonnen Gold geschürft. Als der Ertrag der Mine sank, zogen die Glücksritter weiter. Zurück blieb ein verseuchter Kratersee, und es wurde ruhig in der zum Dorf geschrumpften Siedlung – bis zum 29. Juni des vergangenen Jahres.

Die Einwohner der Städte in der Umgebung glaubten an einen Flugzeugabsturz, als sie um halb elf am Vormittag Explosionsgeräusche am Himmel vernahmen. Doch was in Serra Pelada wenige Meter neben einer Schule einschlug, war nicht terrestrischen Ursprungs – und weitaus seltener als Gold. Die verschreckten Augenzeugen bargen einen Steinbrocken mit merkwürdig schwarzer Kruste und hellem Inneren, der sich rund 15 Zentimeter tief in den Boden gebohrt hatte und dabei zerbrochen war. Sie verständigten den aus dem Ort stammenden jungen Geologen Marcílio Cardoso Rocha, der den Stein als Meteorit erkannte. Von den mittlerweile rund 57.000 der Wissenschaft bekannten Meteoriten konnten nur rund zwei Prozent bei ihrem Fall auf die Erde beobachtet werden, doch als wäre er damit noch nicht rar genug, stellte er sich als Eukrit heraus – eine seltene Klasse, deren Ursprung der Asteroid Vesta sein dürfte.

Jung und doch alt

Gelandet ist der Serra-Pelada-Meteorit jedoch nicht nur in Brasilien, sondern auch im Naturhistorischen Museum in Wien, wo ab sofort eine Scheibe des Stückes zu sehen ist. Es ist nicht der einzige Neuling in der größten Meteoritenausstellung der Welt: Ko-Kurator Ludovic Ferrière kann sich über insgesamt sieben Erwerbungen freuen. Zwei der Neuzugänge, Kheneg Ljouâd und Sericho, haben bei ihrer Entdeckung einen wahren Meteoritenrausch ausgelöst. Auch der Fall von Kheneg Ljouâd in Marokko wurde beobachtet. Zahlreiche Meteoritenjäger machten sich daraufhin bei extremen Temperaturen von rund 50°C auf die Suche – drei Personen bezahlten dies mit ihrem Leben.

Bericht über den Meteoritenfall im marokkanischen TV.
طاطا بريس

Kheneg Ljouâd ist am 12. Juli des Vorjahres auf der Erde angekommen und damit aktuell der jüngste Meteorit. Jung ist dabei allerdings relativ: Der gewöhnliche Chondrit weist zwar ein Bestrahlungsalter von nur wenigen Millionen Jahren auf, wie erste Untersuchungen ergaben – das bedeutet, er hat sich erst vor verhältnismäßig kurzer Zeit von seinem Mutterkörper getrennt. Die kleinen Silikatkügelchen aus denen er zusammengesetzt ist – die Chondren – sind aber andererseits so alt wie das Sonnensystem. Ferrière hält es für gut möglich, dass Kheneg Ljouâd vom selben Ursprungskörper abstammt wie der Chelyabinsk-Meteorit, bei dessen spektakulärem Fall im Jahr 2013 in Russland rund 1.500 Menschen verletzt wurden: "Sie haben fast exakt die gleiche Zusammensetzung."

Lukrative Geschäfte

Der in Kenia entdeckte Meteorit von Sericho war lokalen Kamelhirten schon seit Jahrzehnten bekannt, wurde jedoch nicht als außerirdisch erkannt. In der Gegend gibt es keine Steine, daher waren die Teilstücke Serichos mit Massen von zum Teil mehreren hundert Kilogramm recht auffällig. Nachdem ein Hirte ein Exemplar um 5,4 Millionen kenianische Schilling (mehr als 40.000 Euro) verkaufte, machten sich hunderte Menschen auf die Suche nach den wertvollen Steinen, die mit bis zu 100.000 kenianische Schilling pro Kilogramm gehandelt werden. Andere machten mit der Versorgung der Schatzsucher gute Geschäfte, in provisorischen Lagern wurden kleine Märkte errichten, die die Verpflegung mit Nahrung und Wasser sicherstellen. Bei einem Verkehrsunfall von Suchern kam ein Mensch ums Leben. Insgesamt wurden auf dem Streufeld mit einer Länge von 45 Kilometern bisher 2,8 Tonnen gesammelt.

Sericho ist ein Pallasit und gehört damit zu einer der seltensten Klassen – nur 0,2 Prozent aller bekannten Meteorite fallen in diese Kategorie. Gleichzeitig sind die Pallasite die Edelsteine unter den Meteoriten: eingebettet in eine Matrix aus glänzendem Nickeleisen sind durchscheinende grün-gelbe Olivinkristalle. Dieser Schauwert erklärt die Preise, die für Pallasite gezahlt werden.

Zwei der Neuzugänge – ein kohliger Chondrit und ein Mondmeteorit – wurden dem NHM übrigens von Sammlern gespendet. Dies wird in den kommenden Jahren der einzige Weg sein, um die Sammlung zu erweitern: Aufgrund fehlender Finanzierung muss das Ankaufsbudget für alle Abteilungen drastisch reduziert werden: auf null Euro bis 2020. (Michael Vosatka, 18.1.2018)