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Die Skischule ist übrigens wohl nach wie vor die nervenschonendste Lösung für Eltern.

Foto: picturedesk.com / Martin Huber

Feiner, weißer Sand zwischen den Zehen, eine milde Brise um die Ohren, die letzten Sonnenstrahlen im Gesicht. Fasziniert stand ich am Strand und ließ diese Eindrücke auf mich wirken. Damals war ich 18. Ich sah zum ersten Mal in meinem Leben das Meer. Das war 1997. Auf Kreta. Maturareise. Was für viele meiner Schulkameraden nichts Besonderes mehr war, für mich war es ein erhebendes Gefühl. Möglicherweise auch deswegen, weil ich schon den einen oder anderen Sundowner intus hatte. Aber immerhin konnte ich schon schwimmen – und natürlich Ski fahren. Und zwar Letzteres weit bevor ich Ersteres erlernte.

Aber so sehr ich mich auch anstrenge, ich kann mich nicht an meinen ersten Tag auf Skiern erinnern. Wenn ich den Erzählungen meiner Eltern Glauben schenken darf, muss ich meine ersten Bogerln mit zwei Jahren gemacht haben oder, je nach Sichtweise, bin ich auch mit Skiern an den Füßen auf die Welt gekommen. Und das als Südburgenländer. Im Sommer ging's höchstens einmal ins Freibad. Vom Strandurlaub konnte gar nicht die Rede sein. Denn der Sommer war Hauptgeschäftszeit im Familienbetrieb.

Nerven schonen

Der Urlaub wurde also auf den Winter verschoben. Meist auf die Semesterferien (Energieferien!). Was haben meine Eltern geschimpft, wenn die Wiener gleichzeitig mit den Burgenländern Ferien hatten. Niederländer und Deutsche wurden gerade einmal toleriert. Fotos beweisen, wie es begonnen hat: zunächst noch zwischen den Beinen meines Vaters, der die Spur vorgab, dann hinter ihm her, manchmal auch voraus fort, sodass er Mühe hatte, mich wieder einzufangen. Dann in der Skischule: übrigens wohl nach wie vor die nervenschonendste Lösung für Eltern, die sich den hart verdienten Winterurlaub nicht durch den frustrierten Nachwuchs verderben lassen wollen.

So wurde mein Ansinnen, dem Vater, nach wie vor begeisterter Skifahrer, die Ausbildung seines Enkels zum nächsten Marcel Hirscher umzuhängen und dies als Vergnügen zu verkaufen, rundweg abgeschmettert: Schließlich kennt er die handelnden Personen – ihren Ehrgeiz, ihren Jähzorn, ihre niedrige Frusttoleranzschwelle. "Da kümmerst du dich schön selbst drum." – "Sicher nicht." Schließlich kenne ich die Protagonisten dieses potenziellen Dramas ebenfalls nur zu gut. Die Andeutung, dem Junior das Skifahren eventuell gar nicht beizubringen, führte jedenfalls zu einer leichten Verstimmung am elterlichen Mittagstisch.

Denn ich weiß aus eigener Erfahrung: Wenn allem Anfang ein Zauber innewohnt, dann war davon auf dem Übungshang kaum etwas zu spüren – so viel sagt mir meine wenn auch sehr vage Erinnerung an jene ersten Spuren im Schnee als Skizwergerl. Allein das Rumstehen in der Kälte, das Adjustieren der Ausrüstung, die kalten Zehen in den engen Skischuhen, der ständige Kampf mit dem Schlepplift, das ewige Anstellen ... für das kurze Vergnügen der Abfahrt. Und dann rauf und runter von neun bis 16 Uhr und bei jedem Wetter.

Ziemlich wurscht

All das mit elendslangen Latten an den Beinen. Die mussten damals ja ungefähr doppelt so lang sein wie die eigene Körperlänge, mindestens. Irgendwann hat man es kapiert. Man hat das "Wedeln" heraußen. Aber das war schon damals teuer erkauft: 20.000 Schilling für eine Woche, rechnete mein Vater vor. Kein Pappenstiel. Heute zahlt man das umgerechnet schon für ein paar Tage und als Einzelperson. Günstig war es also noch nie. Ganz zu schweigen von den Kosten der Ausrüstung. (Welche Reisen man mit diesem Geld alternativ machen könnte, damit möchte ich hier gar nicht erst anfangen.) Ich rechne es meinen Eltern auf jeden Fall hoch an. Selbst den Umstieg auf das Snowboard haben sie mir verziehen. Das ist, so hörte ich, mittlerweile auch schon wieder out.

Das ist mir aber wurscht, weil ich mir diesen Stress nicht mehr antu. Ich verstehe, warum Skifahren nach wie vor viele begeistert. Man gleitet über in der Sonne glitzernden Schnee die Hänge hinab, erfreut sich an der Natur und genießt den malerischen Ausblick über die weißen Berggipfel. Im Idealfall. In der Realität fährt man zwischen Touristen auf einem Kunstschneeband, das sich durch schmutzig-braune Landschaften schlängelt, Slalom. Spätestens beim Après-Ski und bei dem ganzen Brimborium ist der Ofen bei mir komplett aus. Wer mich einmal ganz schlecht gelaunt sehen will, der setze mich in eine Skihütte, die mit zwanghaft lustigen Menschen gefüllt ist, wo das Essen ein Witz und der Alkohol witzlos teuer ist. Kreta soll ja auch im Winter recht schön sein. (Markus Böhm, RONDO, 11.2.2018)

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