"Freiheit" für inhaftierte Politiker und Aktivisten fordern katalanische Demonstranten seit Wochen vor dem Gefängnis von Badalona.

Foto: APA/AFP/Barrena

Die Befürworter der Unabhängigkeit Kataloniens haben ihre wiedererrungene Parlamentsmehrheit von 70 der 135 Abgeordneten genutzt. Bei der konstituierenden Sitzung nach den vorgezogenen Neuwahlen wählten sie mit Roger Torrent einen der ihren zum Vorsitzenden des Präsidiums des Autonomieparlamentes in Barcelona. Der 38-jährige Bürgermeister von Sarrìa de Ter in der Provinz Girona gehört der Republikanischen Linken Kataloniens (ERC) an.

Die Neuwahlen am 21. Dezember waren von Madrids Premier Mariano Rajoy angeordnet worden, nachdem das katalanische Regionalparlament nach einem verbotenen Unabhängigkeitsreferendum die Loslösung von Spanien verkündet hatte. Rajoy hatte daraufhin die katalanische Regierung Ende Oktober mithilfe des Verfassungsartikels 155 des Amtes enthoben. Doch die Verfechter der Unabhängigkeit gewannen die Wahlen erneut. Carles Puigdemonts Liste Gemeinsam für Katalonien (JxCat) wurde im Unabhängigkeitslager entgegen allen Umfragen sogar stärkste Kraft.

Befürworter haben im Präsidium Mehrheit

Insgesamt werden die Befürworter der Unabhängigkeit mit vier von sieben Mitgliedern im Präsidium vertreten sein. Einer der stellvertretenden Vorsitzenden geht an Puigdemonts Liste, ein weiterer an die stärkste Fraktion im neuen Parlament, die rechtsliberalen Ciudadanos (C's), die wie die Sozialisten (PSC) und Rajoys konservativer Partido Popular (PP) für die Einheit Spaniens eintreten.

Puigdemont, der sich Ende des Monats vom Parlament erneut zum Ministerpräsidenten wählen lassen will – er will durchsetzen, dass dies via Videokonferenz getan werden kann -, gratulierte von Belgien aus, wohin er im Herbst geflüchtet war.

Im Falle einer Rückkehr nach Barcelona droht Puigdemont die sofortige Verhaftung. Ihm und seinen Gefolgsleuten werden Rebellion, Aufstand sowie Veruntreuung öffentlicher Gelder vorgeworfen. Insgesamt stehen darauf 55 Jahre Haft.

Inhaftierte Politiker

Puigdemonts Vize Oriol Junqueras, ein Minister sowie zwei Aktivisten sitzen seit über zwei Monaten in U-Haft. Vier weitere Minister sind wie Puigdemont in Brüssel. Drei der Inhaftierten gehören dem neuen Parlament an, unter ihnen Junqueras. Sie hatten ihre Stimme an andere Abgeordnete delegiert, nachdem sich der Oberste Gerichtshof in Madrid geweigert hatte, sie für die Parlamentssitzung vorübergehend freizulassen. Die fünf in Brüssel verzichteten auf ihre Stimme. Auch wenn die Anklagepunkte Rebellion und Aufstand anderes vermuten lassen: Die Proteste der Unabhängigkeitsbewegung blieben bisher völlig friedlich.

Juristisches Hickhack

Das neugewählte Präsidium muss nun klären, ob ein Amtsantritt Puigdemonts per Videokonferenz möglich ist. Die juristischen Berater der katalanischen Volksvertretung verneinen dies. Doch in der parlamentarischen Geschäftsordnung steht dazu wenig Konkretes.

C's und PSC haben bereits angekündigt, gegen eine solche Art der Amtseinführung vors Verfassungsgericht ziehen zu wollen. Auch Rajoy will rechtliche Schritte ergreifen, außerdem will Rajoy dann die Zwangsverwaltung Kataloniens aufrechterhalten. Madrid rechnet damit, dass Puigdemont versuchen könnte, zur Investitur nach Katalonien zurückzukehren. Alle Grenzeinheiten wurden deshalb in Alarmbereitschaft versetzt. (Reiner Wandler aus Madrid, 17.1.2018)