Das Lieblingsthema eines jeden Schülervertreters: das Handyverbot.

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Unsere Schulen sind durch die diversen Schulgesetze und Verordnungen von vorne bis hinten geregelt. Dennoch scheint es manchmal so, als wären Schüler in einem rechtsfreien Raum. Wie kommt das?

Die Schule ist juristisch, sehr juristisch sogar. Wie sehr, das ist den meisten in Schulen Anwesenden gar nicht so klar. Dass sich somit mit dem Schulrecht kaum jemand in unseren Schulen auskennt, ist nicht weiter verwunderlich. Doch es wäre wünschenswert.

Lehrer als Verwaltungsorgane

Schüler und Lehrer haben eines gemeinsam: Sie kennen die Bestimmungen, die für sie günstig sind. Lehrer wissen, wann sie prüfen, Hausübungen geben oder negativ beurteilen dürfen, Schüler wissen, wann Lehrer das nicht dürfen.

Doch zwischen Schüler und Lehrer gibt es auch einen großen Unterschied, also zumindest rechtlich betrachtet nur einen. Lehrer sind Verwaltungsorgane, und Lehrer sind beim Vollziehen des Schulrechts hoheitlich tätig. Lehrer unterliegen somit dem Legalitätsprinzip, müssen und dürfen also nur das tun, was ihnen ein Gesetz erlaubt, nicht mehr.

Kaum Beschwerden

Was aber sagt das nun über den erwähnten "rechtsfreien" Raum Schule aus? Hier muss man, zumindest als Gedankenexperiment, einen Schritt wagen, den erstaunlicherweise kaum ein Schüler geht: gegen die Schule oder eines ihrer Verwaltungsorgane vorgehen.

Warum ist es erstaunlich, dass kaum ein Schüler diesen Schritt wagt? Nun, immerhin verbringt man mit diesen Verwaltungsorganen oder Lehrern ganze neun Jahre seines Lebens, manche sogar, es sei dahingestellt, ob freiwillig oder nicht, noch länger. Mit Polizisten verbringt man meist nur wenige Minuten seines Lebens, trotzdem gibt es gegen das Vorgehen der Exekutive vergleichsweise unzählige Beschwerden.

Beispiel: Handy aushändigen

Wogegen kann aber nun ein Schüler eigentlich vorgehen? Es wäre für alle Beteiligten schöner, wenn es darauf eine eindeutige Antwort gäbe. Eindeutig sind nur zwei Dinge: zum Ersten die Beschwerde gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt. Wenn also ein Lehrer die Aushändigung eines Handys befiehlt und bei Untätigkeit des Schülers ihm das Telefon einfach wegnimmt, so liegt relativ eindeutig Befehls- und Zwangsgewalt vor.

Im Übrigen ein sehr schönes, wieder einmal aktuelles Thema, ja fast das Lieblingsthema eines jeden Schülervertreters: das Handyverbot. Abgesehen von den schon tausendmal durchgekauten Argumenten dafür und dagegen gäbe es noch das der Kommunikationsfreiheit und das Grundrecht auf Eigentum. Das Schulorganisationsgesetz verlangt nach einem möglichst störungsfreien Unterrichtsgeschehen. Eine Abnahme bis Unterrichtsende ist also ein unbedingt notwendiger Eingriff in Grundrechte, um dieses Ziel zu erreichen. Aber in der Pause? Wo findet in der Pause Unterricht statt, der nicht gestört werden darf? Hausordnungen, die solche Regeln enthalten, sind daher eigentlich von den Landes- und Stadtschulräten aufzuheben, in der Praxis geschieht das aber kaum. Allgemein sind viele Hausordnungen, die ja eindeutig einen behördlichen Erlass darstellen, vor allem im Hinblick auf die Einschränkung von Grundrechten überaus wackelig.

Widerspruch möglich

Aber zurück zur Einspruchsmöglichkeit: Neben der Beschwerde gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt kann Entscheidungen der Schulbehörde im Sinne der Paragrafen 70 und 71 Schulunterrichtsgesetz "widersprochen" werden, denn Berufung ist das keine. Das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz gilt nämlich in Schulen nicht. Die Schule selbst "entscheidet" daher nur. Erst wenn man dieser Entscheidung widerspricht, wird die Schulbehörde aktiv und entscheidet dann bescheidgemäß.

Spannend ist nur der Paragraf 71 Absatz 9 SchUG, hier heißt es, dass gegen andere Entscheidungen als die des Paragrafen 70 Absatz 1 und 2 gar kein Widerspruch bei der Schulbehörde möglich ist. Heißt das also, dass gewisse Entscheidungen der Schule überhaupt nicht bekämpft werden können? Nun, das ist Auslegungssache. Mancher Jurist ist glücklicherweise der Meinung, die Schule sei eine Verwaltungsbehörde, und somit können alle anderen Entscheidungen, die nicht den Weg über die Schulbehörde nehmen, direkt bei Gericht angefochten werden. Und so unbegründet ist das nicht, denn wie oben schon dargelegt: Lehrer und Direktoren sind Verwaltungsorgane und in der Vollziehung des Gesetzes hoheitlich tätig. Warum sollen Schulen dann keine Verwaltungsbehörden sein? Vielleicht, weil ihre Entscheidungen eben von Nichtjuristen getroffen werden, was besonders bei heiklen Themen wie dem Ausschluss eines Schülers leider oft zu sehr grenzwertigen, manchmal fast klar rechtswidrigen Entscheidungen der Schule führt?

Wo bleibt die Schüleranwaltschaft?

Eine Frage, die man im konkreten Fall lieber mit einem Juristen besprechen sollte. Doch hier stellt sich das letzte Problem, auf das ich eingehen möchte: Die einzigen Juristen, die sich hierzulande mit dem Schulrecht auskennen, sind weisungsgebunden und sitzen im Bildungsministerium oder bei einem der Stadt- beziehungsweise Landesschulräte. Die neue Regierung wäre hier im Rahmen einer Bildungsreform gefordert, sich endlich mit der Schaffung einer Schüleranwaltschaft – wie sie die Schülervertretung bereits seit 2002 fordert – zu befassen, denn, wie Sie gelesen haben: Schulrecht ist kompliziert! So kompliziert, dass man, gepaart mit dem (entschuldbaren) Unwissen der Lehrer und Direktoren, tatsächlich glauben könnte, Schule sei ein rechtsfreier Raum. (Felix Fischer, 17.1.2018)