Ein Bild von PKK-Gründer Öcalan im syrischen Kurdengebiet Afrin.

Foto: AFP / George Ourfalian

Ankara/Athen – Mit der Massierung von Truppen an der Grenze zu Syrien und dem Artilleriebeschuss von Dörfern hat die türkische Armee in der Nacht zu Mittwoch ihre Vorbereitungen für einen Angriff auf die nordsyrische Provinz Afrin vorangetrieben.

Die syrische Kurdenpartei PYD rief die internationale Gemeinschaft auf, die Türkei von einer militärischen Intervention abzuhalten. Der Kommandant der kurdischen Volksstreitkräfte (YPG), des militärischen Arms der PYD, Sipan Hemo, kündigte gleichwohl Widerstand an. "Unsere Antwort wird stark sein", erklärte Hemo der kurdischen Nachrichtenagentur AFN. Vorkehrungen für die Verteidigung von Afrin seien bereits seit langem getroffen worden.

Drohungen aus Syrien

Syrien selbst drohte der Türkei am Donnerstag: Sollte die türkische Regierung einen Kampfeinsatz im Raum Afrin anordnen, werde dies als Aggression gewertet, sagte der stellvertretende Außenminister Faisal Mekdad. Die syrische Luftabwehr sei zu alter Stärke zurückgekehrt und könne türkische "Flugziele" zerstören.

Ein bevorstehender Einmarsch in die Provinz Afrin beherrschte alle türkischen Nachrichtenkanäle. Außenminister Mevlüt Çavusoglu ließ sich bei einem Treffen mit seinem US-Amtskollegen Rex Tillerson und US-Verteidigungsminister James Mattis – nach türkischer Darstellung – zumindest das Verständnis der USA für die Militärintervention zusichern. Çavusoglu sprach mit beiden Ministern am Rande eines Treffens bezüglich Nordkorea im kanadischen Vancouver und flog danach zurück nach Ankara, wo am Mittwochnachmittag der nationale Sicherheitsrat zusammenkam.

Kontroverse Grenztruppe

Die US-türkischen Beziehungen haben ein neues Tief erreicht, seit das Pentagon am vergangenen Wochenende die Aufstellung einer 30.000 Mann starken Grenztruppe mit ihren syrischen Verbündeten ankündigte – in erster Linie mit der kurdischen YPG. Der Schritt wurde von den anderen Kriegsparteien in Syrien sogleich verurteilt.

Russland, der Iran, die syrische Führung in Damaskus, aber auch die von Saudi-Arabien unterstützten syrischen Oppositionsgruppen bezeichneten die geplante Grenztruppe als einen gefährlichen Versuch der USA, die territoriale Einheit Syriens aufzubrechen. Das Pentagon hat die Kritik am Mittwoch zurückgewiesen: Es handle sich nicht um eine "neue Armee", sondern eine Truppe, die IS-Kämpfer an der Flucht aus Syrien hindern und die befreiten Gebiete sichern solle.

Für Ankara war die Ankündigung der USA so etwas wie der letzte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Die Türkei werde diese Grenztruppe "erwürgen, noch bevor sie geboren ist", erklärte Staatschef Tayyip Erdogan. Außenminister Çavusoglu warnte seinen US-Kollegen nach eigenen Angaben vor einer irreparablen Beschädigung der US-türkischen Beziehungen. Wie Erdogan stellte auch Çavusoglu klar, dass die Türkei nicht nur die Provinz Afrin, sondern auch die benachbarte Provinz Manbij der Kontrolle der YPG entreißen werde.

Provinz eingekreist

Afrin und Manbij liegen westlich des Euphrats in Syrien. Afrin ist ein quadratförmiges, etwa 40 Kilometer weites Gebiet, das in die Türkei hineinragt und von den übrigen "Kantonen" der selbstverwalteten kurdischen Zone Rojava in Nordsyrien abgetrennt ist. Als Ergebnis ihrer Operation "Euphratschild" im Sommer 2016 hält die türkische Armee mit ihren verbündeten Milizen der Freien Syrischen Armee bereits das Gebiet zwischen Afrin und Manbij.

Im Oktober des vergangenen Jahres marschierten türkische Einheiten auch in die nordsyrische Provinz Idlib ein. Damit hat die Türkei Afrin fast vollständig eingekreist. Die syrische Kurdenpartei PYD und deren Miliz YPG sieht sie lediglich als Anhängsel der Arbeiterpartei Kurdistans PKK; diese ist auch in der EU offiziell zumindest als Terrororganisation eingestuft.

Das Pentagon in Washington ließ mittlerweile verlauten, es unterstütze die YPG außerhalb des gemeinsamen Kampfs gegen die Terrormiliz "Islamischer Staat" nicht. Der kurdischen Miliz hatten die USA zur Empörung der Türkei schwere Waffen geliefert. (Markus Bernath, 18.1.2018)