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Drängt auf eine Euroreform: Frankreichs Staatspräsident Emanuel Macron.

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Als geschäftsführende Kanzlerin agiert Angela Merkel eher zurückhaltend.

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Wien – Es war die vielleicht beste Nachricht aus dem Inneren der Eurozone seit acht Jahren: Die Arbeitslosigkeit im Währungsraum ist dabei, den niedrigsten Wert seit Beginn der Weltwirtschaftskrise 2009/2008 zu erreichen.

Wie die EU-Statistikbehörde Eurostat vor kurzem bekanntgab, ist die Arbeitslosigkeit im Euroraum auf 8,7 Prozent und damit den tiefsten Stand seit Jänner 2009 gefallen. Das Wachstum zieht schon länger an, selbst im euroskeptischen Italien scheint die Bevölkerung angesichts der besseren Konjunkturlage wieder Frieden mit dem Euro gemacht zu haben.

Große Brocken unerledigt

Die guten Nachrichten dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass die größten Probleme in Europa unerledigt geblieben sind. Zu dieser Überzeugung gelangt eine Gruppe deutsch-französischer Ökonomen, die am Mittwoch einen Reformvorschlag für den Währungsraum vorgelegt hat – dieses Mal möglicherweise nachhaltig. Denn an den Reformvorschlägen mitgearbeitet haben einige der einflussreichsten konservativen wie progressiven Ökonomen in Berlin und Paris.

Da ist etwa Jean Pisani-Ferry. Der Franzose zählt zu den engsten wirtschaftspolitischen Beratern des französischen Präsidenten Emmanuel Macron. Nicolas Véron hat mitgeschrieben, ein weltweit führender Experte für Bankenreformen. Auf deutscher Seite zählt Clemens Fuest zu den Koautoren. Er ist Chef des Münchner ifo-Instituts, das in Eurofragen eher als konservativ gilt. Zugleich finden sich auf der Liste aber auch SPD-nahe Wissenschafter.

Steuerungselemente fehlen

Ausgangspunkt für die Überlegungen der Gruppe ist, dass dem Währungsraum Instrumente zur Krisenbewältigung und zur einheitlichen wirtschaftspolitischen Steuerung fehlen. Die Ökonomen schreiben, dass sie einen Weg gefunden haben, um die unterschiedlichen deutsch-französischen Vorstellungen über die notwendigen Reformen zu harmonisieren. Die deutsche Regierung hat in den vergangenen Jahren jede Vergemeinschaftung von Risiken, ob bei Staatsschulden oder im Bankensektor, abgelehnt. In Frankreich und Italien wird argumentiert, dass die Eurozone mehr Verzahnung braucht. Die Ökonomen um Pisani-Ferry schlagen einen Mix an Maßnahmen vor.

  • Die bestehenden Schuldenregeln sollen ersetzt werden. Die Eurozone brauche mehr Flexibilität, um auf Krisen zu reagieren. Aktuell wird auf das strukturelle Defizit abgestellt, das von konjunkturellen Schwankungen bereinigt wird und vorgeben soll, wie hoch die Neuverschuldung eines Landes sein darf. All das sei zu kompliziert. Künftig sollen Staatsausgaben auf lange Sicht nicht schneller wachsen dürfen als das Bruttoinlandsprodukt. Für Länder mit höherer Schuldenquote sollen die Regeln strenger sein. Wer diese Bestimmungen verletzt und zusätzliche Schulden macht, soll das nur über spezielle Staatsanleihen machen dürfen.

Pleitenregelung

Gefordert wird zudem ein Mechanismus, um hochverschuldete Staaten in eine geordnete Pleite schicken zu können. In Südeuropa hat man das bisher abgelehnt, weil dies die Kreditaufnahme in diesen Ländern verteuern könnte.

  • Im Bankensektor fordern die Ökonomen, die Verbindung zwischen Banken und Staaten aufzubrechen. Banken halten gern Staatsanleihen ihrer Heimatländer in ihrem Portfolio. In der Krise haben diese Papiere etwas Rendite abgeworfen. Die Papiere müssen zudem derzeit nicht mit zusätzlichem Eigenkapital unterlegt werden. Der Nachteil dabei: Gerät ein Land wegen hoher Schulden ins Wanken, bekommen auch die Kreditinstitute Probleme. Künftig sollen Banken Staatsanleihen mit mehr Eigenkapital unterlegen.

Einlagensicherung

Zudem wird die Schaffung einer länderübergreifenden Einlagensicherung in der Eurozone verlangt. Deutsche und österreichische Institute sollen also für italienische und französische mithaften. Um den Nordeuropäern die Idee schmackhaft zu machen, müssen immer zuerst die nationalen Sicherungssysteme ausgeschöpft sein, ehe Zugriff auf europäische erlaubt wird, so der Plan.

  • Um solche Reformen in Rom oder Lissabon schmackhaft zu machen, soll künftig ein gemeinsamer Fonds geschaffen werden, der durch Beiträge aller Mitgliedsstaaten finanziert wird. Gerät ein Land in Turbulenzen, kann es Geld aus dem Fonds nehmen, um seine Wirtschaft zu beleben – ohne dass dadurch die Verschuldung dieses Landes steigt. Um nicht ein permanentes Transfersystem zu schaffen, sollen Länder, die das System beanspruchen, später mehr einzahlen. Zugang soll es zudem nur für Länder geben, die sich an gemeinsame Schuldenregeln halten.
  • Schließlich soll ein komplexes neues Finanzprodukt entwickelt werden, mit dem Euroländer in Staatsanleihen investieren können. Dabei soll es keinen Haftungsverbund geben, jedes Land soll also für eigene Schulden geradestehen. Im Krisenfall hätten Gläubiger, die diese Papiere gekauft haben, ein Anrecht auf prioritäre Rückzahlung. Diese Euroanleihen sollen also attraktiv für Investoren sein und dafür sorgen, dass ein einzelnes Land nicht so schnell vom Kapitalmarkt ausgesperrt werden kann. (András Szigetvari, 18.1.2018)