Unser Gehirn kann fast jeden einzelnen Moment, den wir wahrnehmen, abspeichern. Das sagen zumindest Psychologen der Uni Regensburg.

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Regensburg – Täglich prasselt eine immense Menge an Informationen auf unsere Sinne ein. Bisher ist die Wissenschaft davon ausgegangen, dass die meisten dieser Informationen schnell verblassen und nur ein kleiner Teil langfristig gespeichert wird. Diese Vermutung wird durch zahlreiche Studien gestützt. Ein Forscherteam um den Psychologen Christof Kuhbandner von der Universität Regensburg meldet nun Zweifel an dieser weit verbreiteten Sichtweise an.

Die These der Regensburger Psychologen: Menschen speichern automatisch, rasch, detailliert und langfristig Informationen. Und zwar unabhängig von der aktuellen Aufmerksamkeit oder der Absicht etwas zu speichern beziehungsweise ohne überhaupt davon zu wissen.

Diesen Schluss legt zumindest das Ergebnis eines Experiments nahe. Konkret zeigten die Wissenschafter 41 Probanden in schneller Abfolge insgesamt 128 Bilder von Alltagsobjekten auf einem Bildschirm. Die einzelnen Bilder waren jeweils nur für 500 Millisekunden zu sehen. Über jedes Objekt wurde ein davon unabhängiges Wort eingeblendet. Die Versuchspersonen hatten die Aufgabe, die Bilder zu ignorieren, auf die Wörter zu achten und bei einer Wortwiederholung einen Knopf zu drücken.

Erstaunliche Ergebnisse

Zu diesem Zeitpunkt wussten die Versuchspersonen nicht, dass danach ihre Erinnerungen getestet werden werden. Um die Erinnerungen zu prüfen, wurden ihnen immer zwei Bilder präsentiert. Bei dem einen handelte es sich um ein vorher gezeigtes Objekt (etwa eine Sonnenbrille), beim anderen um ein vorher nicht gezeigtes Objekt, das zum Teil dem gezeigten Objekt sehr ähnlich war (beispielsweise eine Sonnenbrille in einer leicht veränderten Form).

Die Probanden sollten angeben, welches der beiden Objekte sie vorher gesehen hatten. Wenn sie meinten, sich nicht erinnern zu können, sollten sie raten. Um die Langfristigkeit der Speicherung zu messen, wurde die Hälfte der Objekte direkt nach der Wahrnehmungsaufgabe getestet, die andere Hälfte nach 24 Stunden. Obwohl die Versuchspersonen angaben, dass sie die meiste Zeit raten würden – in 77 Prozent der Fälle beim Test direkt danach und in 95 Prozent der Fälle beim Test nach 24 Stunden – konnten sie erstaunlich viele der zuvor gezeigten Objekte richtig identifizieren.

Beim Test direkt danach wurden 48 Prozent der Objekte und beim Test nach 24 Stunden 21 Prozent der Objekte richtig identifiziert. Dieses Ergebnis ist bereits um die zufälligen Ratetreffer korrigiert. Die Forscher folgern daraus, dass Menschen fast jeden einzelnen Wahrnehmungsmoment abspeichern können – selbst dann, wenn Objekte gar nicht bewusst wahrgenommen wurden und man gar nicht die Absicht hatte, sich etwas zu merken. Das Fazit der Wissenschafter: Der Mensch kann weitaus mehr Informationen speichern, als bisher angenommen. (red, 20.1.2018)