Die vom deutschen Designer Hartmut Esslinger mit Steve Jobs eingeleitete Abkehr von den schwarzen, rein technischen "Kisten" hin zu gestalterisch extrem reduzierten, weißen stylischen Apple-Accessoires ist nur eines von vielen Beispielen in der Computerbranche in dieser Hinsicht.

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Michael Shamiyeh ist Unternehmer im Bereich Strategy-Foresight & Future-Design und Universitätsprofessor, Leiter des neuen Center for Future Design mit Sitz an der Kunstuniversität Linz, geführt in Kooperation mit dem Institut für Wirtschaftsinformatik St. Gallen. Er berichtet von seiner Gastprofessur in Stanford.

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Es vergeht kaum ein Tag, an dem ich nicht aus meinem Campusbüro an der Panama Mall eine Besucherdelegation erspähe. Überraschenderweise wird in der Regel ein wesentlicher Bestandteil des Innovationsökosystems übersehen, nämlich Design bzw. die zentrale Rolle der hiesigen Designindustrie, die essenziell dazu beigetragen hat, die Region von einem beschaulichen Vorort San Franciscos zu dem Wirtschaftsmotor der Vereinigten Staaten zu transformieren. Nicht ohne Grund hat sich parallel zur Entstehung des erfolgreichen Innovationsökosystems auch die Designindustrie Nordkaliforniens von anfänglich gerade einmal neun (!) Studios in den 70er-Jahren zur weltweit höchsten Konzentration von Designerinnen und Designern entwickelt.

Auch ist kein Zufall, dass die Methode des "Design-Thinking" von hier aus ihren globalen Siegeszug in die Unternehmenswelt nahm. Worin besteht nun die facettenreiche Verbindung zwischen Design und dem Innovationsökosystem Silicon Valleys, und was können und sollen wir vor allem daraus lernen?

Computer sollte für Laien zugänglich sein

Als ich vor rund fünfzehn Jahren Bill Moggridge, einen zu Weltruhm gelangten Designer und Mitbegründer der internationalen Design- und Innovationsagentur Ideo, nach Österreich für einen Vortrag holte, war mir die Herausforderung, mit der er und sein Team damals im Silicon Valley konfrontiert waren, noch nicht klar.

1978 hatte Bill entschieden, mit seiner bis dahin ausschließlich in London ansässigen Designagentur Moggridge Associates ins weit entfernte Silicon Valley zu übersiedeln. Der Grund hierfür lag im Entstehen einer komplett neuen Produktkategorie – des Personal Computer. Diese im Alltag und für den persönlichen Gebrauch nutzbare Technologie hatte keinerlei gestalterische Vorbilder. Im Gegensatz etwa zum Automobil oder zum Telefon gab es für Desktop-Computer oder Laptops keinerlei etablierte Designkonzepte, an denen man sich orientieren oder die man gestalterisch hätte fortschreiben können. Zudem sollte entgegen bisherigen Modellen diese Art von Computer nicht mehr ausschließlich von Experten oder Wissenschaftern benutzt werden, sondern vor allem Laien zugänglich sein. Gerade diese Öffnung gegenüber dem Konsumgütermarkt stellte eine große Herausforderung für die Ingenieure dar, die gewohnt waren, Geräte nur für ihresgleichen zu entwickeln.

Barry Katz, Stanford-Professor für industrielles und Interaktionsdesign sowie Autor von Make It New, eines der wenigen ausführlich recherchierten Werke zur Geschichte des Designs im Silicon Valley, lenkte meine Aufmerksamkeit auf ein weiteres zentrales Thema in unserem Zusammenhang: Gerade hier im Silicon Valley wurde mit Forschungseinrichtungen wie Xerox Parc oder der Stanford University Pionierarbeit im Bereich der Mensch-Computer-Interaktion geleistet. Die zentrale Frage war, wie man denn überhaupt mit einem Computer interagieren könne. Das Studium der Eingabegeräte führte letztendlich zur Charakterisierung der Computermaus oder der ersten grafischen Benutzeroberflächen, die eine Desktop-Metapher verwendete. All diese Entwicklungen wären ohne Designer und Designerinnen, deren Kernaufgabe darin besteht, Empathie für Nutzer zu entwickeln, um möglichst gebrauchstaugliche Produkte zu erschaffen, nicht vorstellbar gewesen.

Design von Anfang an zentrale Rolle

Und nicht zuletzt musste im Zuge der Orientierung am Konsumgütermarkt auch ein Weg gefunden werden, um einer neuen Technologie auch einen kulturellen Ausdruck geben zu können. Die vom deutschen Designer Hartmut Esslinger mit Steve Jobs eingeleitete Abkehr von den schwarzen, rein technischen "Kisten" hin zu gestalterisch extrem reduzierten, weißen stylischen Apple-Accessoires ist nur eines von vielen Beispielen in der Computerbranche in dieser Hinsicht.

Gleich von welcher Perspektive wir auch die weit in die Geschichte zurückreichende und vielschichtige Verbindung zwischen Design und dem Innovationsökosystem Silicon Valleys betrachten, allen wohnt ein entscheidendes Moment inne – und dies ist auch gleich die wesentliche Erkenntnis, die wir in dieser Hinsicht aus dem Silicon Valley mitnehmen können: Design wird dort als ein strategisches Ziel betrachtet, das nicht etwa am Schluss eines Entwicklungsprozesses, am Ende der Wertschöpfungskette zur Aufhübschung eines Produktes in Angriff genommen wird, sondern von Beginn an eine zentrale Rolle in einem Unternehmen einnimmt. Daran hat sich auch im Zuge des Aufkommens der Erlebnisökonomie nichts geändert. Ganz im Gegenteil, im Silicon Valley von heute wird mehr denn je verstanden, dass von Menschen benutzte Systeme, Dienstleistungen und Produkte nur dann wirklich erfolgreich entwickelt werden können, wenn die menschliche Perspektive in alle Phasen des Problemlösungsprozesses einbezogen wird. Von jeher stehen sich daher Designer und Manager auf Augenhöhe im Silicon Valley gegenüber, und nicht ohne Grund haben in vielen erfolgreichen Unternehmungen von heute Designer eine Führungsfunktion inne. (Michael Shamiyeh, 19.1.2018)