Die Trümmer eines im Sturm eingestürzten landwirtschaftlichen Anwesens in Hessen.

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Berlin/Amsterdam/Brüssel – Sturmtief Friederike ist am Donnerstag mit Orkanböen über Europa gefegt und hat mehrere Menschenleben gefordert. Acht Personen starben in Deutschland, weitere Todesopfer waren in den Niederlanden, in Belgien, Italien und der Schweiz zu beklagen.

Sturm Friederike ist mit Orkanböen von bis zu 203 Kilometer pro Stunde über Europa hinweggefegt.
ORF

Auf einem Campingplatz in Emmerich (Nordrhein-Westfalen) wurde ein 59-Jähriger von einem Baum erschlagen. Er sei sofort tot gewesen. In einer Sturmböe verlor im westfälischen Lippstadt ein Mann (68) bei einem Verkehrsunfall sein Leben. Der Transporterfahrer hatte im Orkan die Kontrolle über sein Fahrzeug verloren und war in den Gegenverkehr geraten. Ein Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr starb bei einem Sturmeinsatz im sauerländischen Sundern.

Feuerwehrmann erschlagen

In Bad Salzungen in Thüringen wurde ein Feuerwehrmann von einem umstürzenden Baum getötet. Sein Kollege wurde schwer verletzt. Bei einem Unfall inmitten der Sturmböen kam im Süden Brandenburgs ein Lastwagenfahrer ums Leben. Das Fahrzeug war auf der Autobahn 13 (Berlin–Dresden) bei Ortrand nahe der Grenze von Brandenburg zu Sachsen in die Mittelleitplanke geprallt und umgestürzt. In der Nähe von Neubrandenburg starb eine 61-jährige Autofahrerin. Sie verlor südlich von Penzlin vermutlich wegen widriger Straßenverhältnisse und zu hoher Geschwindigkeit die Kontrolle über ihr Auto und schleuderte gegen einen entgegenkommenden Lastwagen.

Ein umgestürzter Baum liegt neben einer Landstraße in Nordrhein-Westfalen.
Foto: APA/dpa/Arnulf Stoffel

Fernzüge rollen wieder

Nach der landesweiten Einstellung des Fernverkehrs hat die Deutsche Bahn den Betrieb wiederaufgenommen. "Die ersten Fernzüge sind unterwegs", sagte ein Bahnsprecher am Freitag in der Früh der Deutschen Presse-Agentur. So sei um 3.25 Uhr ein ICE aus München in Richtung Frankfurt-Flughafen losgefahren.

Der Sprecher betonte aber nochmals, dass es "nach wie vor zu Einschränkungen kommen wird." Im Süden Deutschlands sollten die Züge ab Freitagmorgen weitgehend normal verkehren, hatte die Bahn schon am Abend davor mitgeteilt. "Im Norden Deutschlands starten die Züge, sobald weitere Strecken von Schäden befreit und freigegeben wurden. Wir erwarten, dass bereits im Laufe des Vormittags alle Metropolen Deutschlands – mit Einschränkungen – wieder mit dem Fernverkehr erreichbar sein werden. Für das Wochenende erwarten wir einen weitgehend normalen Verkehr."

Feuerwehrmänner entfernen Bäume von einer Bahntrasse zwischen Hannover und Göttingen.
Foto: APA/AFP/dpa/SWEN PFORTNER

Die Deutsche Bahn hatte am Donnerstagnachmittag den Fernverkehr in ganz Deutschland eingestellt. Schwerpunkt des Unwetters waren Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen. Dazu wurde in den Bundesländern Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen, Sachsen auch der Nahverkehr eingestellt. Ebenso verkehrte die Bahn in Nordhessen nicht mehr. In zehn Fernbahnhöfen richtete die Bahn sogenannte Aufenthaltszüge ein, in denen gestrandete Reisende zur Not auch übernachten können.

Drei Tote in den Niederlanden

In den Niederlanden kamen nach Behördenangaben drei Menschen ums Leben, die von Bäumen oder Trümmerteilen getroffen wurden. In der Ortschaft Olst im Osten des Landes sei ein 62-jähriger Mann von einem abgebrochenen Ast erschlagen worden, teilte die Polizei mit. In Enschede nahe der deutschen Grenze starb nach Polizeiangaben ein Autofahrer, nachdem ein Baum auf das Auto gefallen war. Über das dritte Todesopfer war zunächst nichts Näheres bekannt. Mehr als 60 Lastwagen wurden auf niederländischen Straßen umgeweht.

Ein Verkehrsschild ist auf der Bundesstraße 7 bei Erfurt (Thüringen) durch das Sturmtief Friederike auf ein Auto gestürzt. Verletzt wurde bei dem Unfall niemand.
Foto: APA/dpa-Zentralbild/WichmannTV

Je ein Todesopfer gab es in Belgien und Italien. In Belgien wurde eine Autofahrerin von einem Baum erschlagen, als sie südöstlich von Brüssel durch einen Wald fuhr. In der süditalienischen Stadt Crotone wollte ein Mann sein Dach auf Sturmschäden prüfen. Der Wind warf ihn um, sodass er in den Tod stürzte.

Endstation Passau

Der Stopp des Fernverkehrs hatte auch Auswirkungen auf Österreich: Für die planmäßig im Zweistundentakt verkehrenden Züge Richtung Nürnberg ist in Passau Endstation, wie ÖBB-Sprecher Bernhard Rieder sagte. Der Bahnverkehr von Salzburg, Kufstein und Lindau nach München und retour verläuft planmäßig. Auch der Korridorverkehr zwischen Salzburg und Kufstein ist nicht betroffen. "Insofern sind wir mit einem blauen Auge davongekommen", sagte Rieder.

Die ÖBB (Österreichische Bundesbahnen) riet Reisenden, die noch am Donnerstag Richtung Nürnberg und allenfalls weiter nach Frankfurt, Düsseldorf oder Hamburg wollten, sich genau zu informieren. "Es ist möglich, dass doch der eine oder andere Zug fährt, es gibt allerdings keine Garantie", sagte Rieder. Er empfahl grundsätzlich, geplante Reisen zu verschieben.

Auch in den Niederlanden brach der Bahnverkehr zeitweise zusammen. Zu zahlreichen Zugausfällen kam es weiters in der Schweiz. Der Amsterdamer Flughafen Schiphol wurde zeitweise geschlossen, sodass hunderte Flüge gestrichen wurden. Auch der Flughafen Köln/Bonn stellte kurz den Betrieb ein. Dort wie auch in Düsseldorf oder Frankfurt hielten sich die Auswirkungen aber in Grenzen.

Der Deutsche Wetterdienst warnt vor dem Sturmtief.

In Köln gab es eine stürmische Geburt. Dort brachte eine Frau ihr Baby in einem Auto zur Welt. Vater und Mutter waren am Donnerstagnachmittag zur Entbindung auf dem Weg in die Klinik, als eine sturmbedingte Straßensperrung die pünktliche Ankunft zunichte machte, berichtete die Feuerwehr. Der kleine Anton erblickte noch vor Ankunft von Rettungsdienst und Notarzt im Auto das Licht der Welt.

Tschechien hat das Sturmtief weitgehend verschont. Vor allem in der nordwestlichen Region um Decin (Tetschen) an der Grenze zum deutschen Bundesland Sachsen kam es zu Stromausfällen, wie die Agentur CTK unter Berufung auf die Versorger meldete. Am Freitagvormittag waren noch hundert Haushalte ohne Elektrizität, die im Laufe des Tages wieder ans Netz angeschlossen werden sollten.

Geschätzte 800 Millionen Euro Schaden

Nach Schätzungen von Versicherungsmathematikern kommen auf die Assekuranz nach dem Orkan "Friederike" in Deutschland Zahlungen von rund 800 Mio. Euro zu. Das ergebe sich aus dem Modell, mit dem die Kölner Beratungsgesellschaft Meyerthole Siems Kohlruss (MSK) die Kosten von Stürmen in Deutschland berechnet, erklärte Versicherungsmathematiker Onnen Siems am Freitag.

Unterdessen teilte der Deutsche Wetterdienst via Twitter mit, dass Friederike eine höhere Windgeschwindigkeit erreicht habe als der Sturm Kyrill im Jahr 2007. "Friederike schlägt Kyrill, was die maximale Windböe betrifft. Vor exakt elf Jahren gab es 202 km/h auf dem Wendelstein, heute meldete der Brocken eine Böe von 203 km/h", hieß es. (APA, Reuters, 18.1.2018)