Wien – "Friedensengel" nannte Magister W., akademischer Maler und Bildhauer, sein Werk in Wien. Für das er aus Sicht der Staatsanwaltschaft ein Denkmal und einen Brunnen beschädigte. Dem 49-jährigen Unbescholtenen werden aber noch zwei weitere, weniger friedfertige Delikte vorgeworfen: Im Sommer 2010 soll er auf der Donauinsel einen Hund totgetreten haben; im vergangenen Oktober schließlich in der U-Bahn einer Studentin durch einen Faustschlag eine Schädelprellung zugefügt haben.

Vor Richterin Minou Aigner legt W. nur zum ersten Anklagepunkt ein faktisches Geständnis ab, eine Sachbeschädigung will er aber nicht begangen haben. Er hatte am Denkmal für Berufskollegen Georg Raphael Donner in der Lothringer Straße eine Tafel mit der Aufschrift "Friedensengel IV" fixiert, den Donnerbrunnen am Neuen Markt ergänzte er um eine Engelsfigur mit zwei güldenen Häschen.

"Das war keine Verunstaltung! Ich betreibe die Arbeit seit 25 Jahren und finde es bedenklich, wenn Street Art einfach entfernt wird!", beruft sich der Angeklagte auf künstlerische Freiheit. "Als Künstler bewegt man sich in einem Bereich, wo man sich an der Gesellschaft reibt und eine Gratwanderung macht", belehrt er Aigner. "Eine Gratwanderung, die manchmal vor Gericht endet", entgegnet die. Die 1.079 Euro, die der Magistrat von ihm für die Entfernung seiner Werke will, möchte er nicht bezahlen. Er vertritt den Standpunkt, die Beamten hätten ihn nur kontaktieren müssen, dann hätte er es selbst entfernt.

Streit auf der Rolltreppe

Die Vorwürfe der Körperverletzung und Tierquälerei weist er überhaupt mehr oder weniger empört zurück. Zunächst erzählt er seine Sicht zu dem Vorfall in der Station Schottenring. "Ich bin mit meiner kleinen Tochter im Arm die Rolltreppe hinaufgegangen, zwei junge Frauen sind im Weg gestanden. Ich wollte vorbei, es ist zu einem Streit gekommen, die eine hat auch herumgefuchtelt. Dann hat sie gesagt, dass das schon die Auswirkungen des Wahlergebnisses seien, da habe ich ihr mit dem Zeigefinger gegen die Stirn getippt und gefragt, ob sie deppert ist."

Warum ihn ein unbeteiligter Tatzeuge aufhielt und die Polizei gerufen wurde, kann sich der Angeklagte nicht wirklich erklären. Dass die 23-Jährige, ihre kopftuchtragende Freundin und der junge Mann übereinstimmend schildern, er habe ausgeholt und der jungen Frau einen wuchtigen Faustschlag verpasst, bezeichnet er als Lüge. Dass das Opfer angibt, sie habe einen großen roten Abdruck auf der Stirn gehabt, der sicher nicht von einem Zeigefinger stamme, und das amtsärztliche Gutachten eine Schädelprellung bestätigte, kümmert W. nicht.

Pipis Tod auf der Donauinsel

Er beteuert, nie jemanden geschlagen oder getreten zu haben und auch nicht die Schuld am Tod der Chihuahuahündin Pipi zu tragen. Die starb am 4. Juli 2010 an einem Schädel-Hirn-Trauma auf der Donauinsel. Laut Anklage, da ihr W. einen wuchtigen Tritt gegeben hat, wodurch das Tier durch die Luft geschleudert wurde.

"Ich war dort laufen, da ist der hysterische Hund nachgekommen. Er lief mir zwischen die Beine, ich habe ihn abgeschüttelt. Dann ist er gegen eine Liege gerannt", erzählt der Angeklagte zunächst. Die tierliebende Aigner bohrt nach, irgendwann sagt W., der Hund habe ihn beißen wollen. Aber einen absichtlichen Tritt bestreitet er: "Ich trete ja keinen Hund während des Laufens, das bringt mich ja aus dem Rhythmus!"

Im Gegenteil, als er bemerkte, dass der wütende Besitzer herangeeilt kam, sei er stehengeblieben und habe anschließend sogar einen Tierarzt verständigt. Der Angeklagte hat auch eine Theorie zu Pipis Ableben: "Ich glaube, dass sie an Hitzschlag gestorben ist, es war ein kleines Tier, und es war sehr heiß." Den Befund des Tierarztes über die schwere Kopfverletzung nimmt er zur Kenntnis.

Tier flog eineinhalb Meter durch die Luft

Hundebesitzer A. erzählt als Zeuge eine andere Geschichte. "Ich habe den Herrn schon am Vortag laufen gesehen, da ist der Hund auch ein Stück mitgerannt, und es hat keine Probleme gegeben. Plötzlich, am nächsten Tag, gibt er ihm einen wuchtigen Tritt. Der Hund hatte 1,2 Kilo und ist sicher eineinhalb Meter durch die Luft geflogen." Gegen eine Liege sei das Tier sicher nicht gerannt, W. habe dagegen einfach weiterlaufen wollen – erst nach kurzer Verfolgung habe er gestoppt.

Überraschenderweise erzählt der Zeuge auch, dass er sich nicht als Privatbeteiligter anschließen wolle – W. habe nämlich in der Vergangenheit bereits 1.200 Euro Schadenersatz gezahlt.

In seinem Schlusswort will der ohne Verteidiger erschienene Angeklagte nochmals den Prozess Revue passieren lassen, Aigner mahnt ihn zur Knappheit. "Ich glaube, dass mir Unrecht getan wird", gibt er sich überzeugt. Aus seiner Sicht trifft das nicht rechtskräftig auch ein: Er wird in allen Anklagepunkten schuldig gesprochen und erhält zehn Monate bedingte Haft, der Stadt Wien muss er die 1.079 Euro bezahlen. (Michael Möseneder, 18.1.2018)