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Wilde Truthähne gehen in einer Stadt in Massachusetts auf Erkundung. Schon vor Jahrtausenden dürfte es die Vögel in die Nähe des Menschen und seiner Müllhalden gezogen haben: der Beginn ihrer Domestikationsgeschichte.
Foto: AP Photo/Collin Binkley

York – Von den heutigen Haustieren im engeren Sinn stammen fast alle ursprünglich aus dem Großraum Eurasien. Die Amerikas haben dem globalen Pool domestizierter Tiere nur wenige Spezies hinzugefügt: Lamas, Meerschweinchen – und den Truthahn. Mit dessen Weg vom Wild- zum Haustier hat sich nun ein Forscherteam aus Großbritannien, Mexiko und den USA näher befasst und seine Ergebnisse in "Royal Society Open Science" veröffentlicht.

Die Ursprünge

Insgesamt betrachtet war die Domestizierung des Truthahns oder -huhns (Meleagris gallopavo), dessen natürliches Verbreitungsgebiet sich über weite Teile der USA und den Norden Mexikos erstreckt, eine recht neue Errungenschaft. Sie liegt nach bisherigem Kenntnisstand nur etwa 2.200 bis 2.300 Jahre zurück. Zum Vergleich: Wölfe dürften schon vor 30.000 Jahren domestiziert worden sein, Schafe, Schweine und Rinder vor 11.000 bis 10.000.

Funde von Truthahnknochen aus dem 3. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung gehören daher zu den ältesten, die in die Studie des Teams um Aurelie Manin von der Universität York eingeflossen sind. Insgesamt umfassten die Funde, die alle aus Mesoamerika stammen, eine Zeitspanne bis zur Ankunft der Spanier in der Neuen Welt.

Ausbreitung durch Handel

Die Verteilung der Funde war bereits ein Hinweis darauf, dass es schon in präkolumbischer Zeit weitreichende Handelswege gab und auf diesen auch lebende Truthühner transportiert wurden: Immerhin stammen die Knochen zum Teil aus Fundstätten, die außerhalb des natürlichen Verbreitungsgebiets lagen. DNA-Analysen bestätigten zudem, dass die Truthühner, die heute in Europa gehalten werden, mexikanische Ahnen haben.

Isotopenanalysen der Knochen gaben Aufschlüsse über die Ernährungsweise der Tiere. Sie zeigen einen graduellen Übergang zu immer höherem Maisanteil. Dieser Trend spiegelt wider, wie die Tiere in immer größerer Zahl gehalten und daher auch mit angebauten Pflanzen gefüttert wurden – insbesondere in den Jahrhunderten vor der Ankunft der Spanier.

Überraschungen und Rätsel

Überraschend war jedoch, dass sich keine Korrelation zwischen Truthahn-Haltung und der Entwicklung der menschlichen Bevölkerung abzeichnete. Das spricht laut Manin dafür, dass die Tiere zumindest über lange Zeit hinweg nicht primär wegen ihres Fleisches gezüchtet wurden. Das passt dazu, dass laut der Forscherin kaum Truthahnknochen in Ablagerungen von Hausmüll gefunden wurden – dafür aber in Tempeln und Gräbern. Die großen Vögel dürften also eher eine kulturelle Bedeutung gehabt haben und für Zeremonien verwendet worden sein.

Umso seltsamer erscheint der Umstand, dass ihr engster Verwandter, das Pfauentruthuhn (Meleagris ocellata), ignoriert wurde. Das ist in Mittelamerika beheimatet und sieht durch seine glänzenden Federn noch beeindruckender aus als das herkömmliche Truthuhn. Hier ergaben die Isotopenanalysen jedoch keinerlei Hinweise auf Fütterung und damit Zucht. Warum die präkolumbischen Völker die eine Spezies zum Haustier machten und die andere ignorierten, bleibt laut den Forschern ein Rätsel. (jdo, 19. 1. 2018)