Premierminister Viktor Orbán führt bereits Wahlkampf.

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Die nationalkonservative Regierung von Ungarns Premierminister Viktor Orbán hat den Entwurf eines Gesetzespakets vorgelegt, mit dem Zivilorganisationen, die Flüchtlingen helfen, künftig massiv in ihrer Arbeit behindert werden können. Die geplanten Bestimmungen sehen zum Beispiel eine Strafsteuer für NGOs vor, die sich um Flüchtlinge kümmern und den überwiegenden Teil ihrer Kosten mit Unterstützung aus dem Ausland decken. Diese müssten dann 25 Prozent dieser Hilfsgelder an den Staatssäckel abführen. Außerdem sollen sie dem Gesetz zufolge ihren Status als gemeinnützige Vereine verlieren.

Formal bezieht sich der Gesetzesentwurf, dessen Grundzüge am Mittwoch vorgestellt und dessen Text am Donnerstag veröffentlicht wurde, auf "Organisationen, die die illegale Migration unterstützen". Die Gesetzesinitiative aber wird von Regierungsvertretern "Stop-Soros-Paket" genannt. Ihre wahre Stoßrichtung: Die Arbeit von NGOs, die etwa Asylsuchenden juristischen Beistand gewähren oder Flüchtlinge auf dem Weg durchs Land mit dem Nötigsten versorgen, soll unmöglich gemacht werden. Etliche – aber nicht alle – dieser zivilen Vereine in Ungarn erhalten Unterstützung von den Stiftungen des liberalen US-Milliardärs George Soros.

"Wegweiserecht"

Das geplante Gesetzespaket gibt dem Innenminister weitreichende Vollmachten, ausländische Mitarbeiter von zivilen Flüchtlingshilfsorganisationen des Landes zu verweisen. Ungarischen Staatsbürgern kann er untersagen, einen acht Kilometer breiten Streifen entlang der Schengen-Außengrenze des Landes zu betreten. Verfassungsjuristen haben bereits Zweifel an der Haltbarkeit dieser Bestimmung geäußert. Sie operiert – analog zum Wegweiserecht, das gegen gewalttätige Familienväter zur Anwendung gelangt – mit dem Konstrukt eines "fremdenpolizeilichen Wegweiserechts".

Das Paket ist Ergebnis eines monatelangen, mit antisemitischen Untertönen geführten Propagandakreuzzugs gegen Soros. Die Budapester Regierung unterstellt dem aus Ungarn stammenden Holocaust-Überlebenden, die Einwanderung von Muslimen nach Europa zu organisieren. Er wolle damit den "christlichen und nationalen Charakter" des alten Kontinents zerstören, heißt es in diesem verschwörungstheoretischen Narrativ.

Entgegen den Gepflogenheiten im Orbán-Staat wird aber das "Stop-Soros-Paket" nicht über Nacht durch das servile Parlament gepeitscht. Der Entwurf soll vielmehr, wie es bis zu Orbáns Machtantritt 2010 üblich war und seitdem kaum praktiziert wurde, noch vorher in die Expertengremien und zu den Verbänden gehen.

Dem liegt freilich kein plötzlicher demokratischer Gesinnungswandel der Machthaber zugrunde. Denn am 8. April stehen die nächsten Parlamentswahlen an. Die Orbán-Partei Fidesz dürfte diese zwar glatt gewinnen, hat aber angesichts der desillusionierenden politischen Verhältnisse im Land gegen eine gewisse Wählerapathie anzukämpfen. Die Medienübermacht der Orbán-nahen Oligarchen kann nun mit der "Stop Soros"-Agitation die eigenen Anhänger mobilisieren. Ein anderes Wahlkampfthema hat Ungarns Regierungspartei derzeit nicht. (Gregor Mayer aus Budapest, 20.1.2018)