Wien – Es könnte alles um so viel einfacher sein. Nicht nur dann, wenn der Kredit, so man überhaupt noch einen bekommen hat, schon abbezahlt wäre, man auf eine Pension hoffen könnte und sich nicht jeden Tag genötigt sähe, der Nachwelt keinen allzu großen ökologischen Fußabdruck zu hinterlassen. Da wundert es einen beinahe, dass die Kleinen groß und die Alten wieder jung sein wollen. Geht es einem in den angeblich besten Jahren doch längst vielmehr so wie Paul Safranek (Matt Damon). Der könnte zwar mit seiner Frau Audrey (Kristen Wiig) ein zufriedenes Mittelstandsdasein führen. Er hat aber ein seinem wenig nachhaltigen Lebensstil geschuldetes schlechtes Gewissen.

Kommt uns doch mal besuchen, wenn ihr so ausseht wie wir! Die Nachbarn von Audrey (Kristen Wiig) und Paul (Matt Damon) sind ihrem neuen Leben als Miniaturausgaben gewachsen.
Foto: Paramount Pictures

In Alexander Paynes Downsizing gibt es zumindest für den Orthopäden aus Omaha eine Lösung: ein von skandinavischen Wissenschaftern entwickeltes Verfahren verspricht eine "zellulare Miniaturisierung" und damit ein neues Leben in einer schönen, neuen Welt. Und dieses bereits verheißungsvoll beworbene Leisureland, das nicht nur aussieht wie ein Miniaturpark, sucht nach neuen Bewohnern. Für den Durchschnittsamerikaner Safranek mithin jener amerikanische Traum, der sich in seinem bisherigen Leben nicht mehr erfüllen lassen wird.

Nun ist Alexander Payne, gewitzter Autor und Regisseur von Tragikomödien wie About Schmidt und Sideways, natürlich nicht der Erste, der die Fantasie des Einschrumpfens im US-Kino befeuert. Doch im Gegensatz zum Scifi-Klassiker The Incredible Shrinking Man, der in Zeiten des Kalten Krieges die Ängste vor der Nuklearkatastrophe auslebte, interessiert sich Payne für eine völlig andere horrible Gefahr, die dem kleinen Menschen droht – jene der Selbstoptimierung.

Auf dem Präsentierteller

Und dieser Horror beginnt bereits bei den Vorbereitungen: Payne inszeniert den Schrumpfprozess als einen der Entmenschlichung, bei dem es beim anatomischen Detail zur Sache geht: Nach Plombenentfernung, Kahlrasur und Darmentleerung liegen die dreizehn Zentimeter großen Menschenpuppen wie Elendshäufchen auf dem Präsentierteller. Und der sarkastische Blick von Payne und seinem langjährigen Koautor Jim Taylor findet seine Fortsetzung in der Architektur der Miniaturwelt, in der Safranek landet: Riesenräder, putzige Traumhäuser und aufgeräumte Straßen, dazwischen venezianische Kanäle und Kuppeln.

Hier kann sich endlich jeder alles leisten, weil es keine teuren Kleinigkeiten gibt. Nur das die kleinen Menschen vor Vögeln und Insekten schützende Netz macht die Parallelwelt auf den ersten Blick zum Gefängnis.

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In diesem ersten Teil entwickelt Downsizing vor allem deshalb seine stärkste Kraft und besten Momente, weil er den allzu menschlichen Motiven, denen die Bewohner von Leisureland nachgegeben haben, die bittere Komik der späten Erkenntnis einschreibt. Wie in der Social-Media-Blase führt der Verlust des Kontakts zur Außenwelt zu Selbstbestätigung und verzerrter Selbstwahrnehmung. – Das wahre Problem ist, wie Payne zeigt, indes ein anderes: Wie findet man wieder zu sich zurück?

Denn der Alltag holt die Träume ein – und er erweist sich im utopischen Amerika spätestens im Callcenter und beim ersten öden Date als um nichts spannender als in Wirklichkeit. An diesem Punkt – und mit dem Auftritt des ebenfalls geschrumpften Christoph Waltz, der es als serbischer Hehler zum Schwarzmarktmillionär gebracht hat – ändert Downsizing abrupt die Tonlage: Safranek wird zum Grenzgänger der anderen Art, der durch die vietnamesische Putzfrau Ngoc Lan (Hong Chau) auf den Boden der Realität zurückgeholt wird.

Dass Downsizing seine vielen Themenfelder – Pseudowissenschaft und Sektierertum, Migration und Ausgrenzung, Ökologie, kollektive Armut und individuelle Vereinsamung – in dramaturgische Nöte bringt, nimmt man gern in Kauf. Denn Payne bleibt bei aller skurriler Fantasterei dem erdigen Charme seiner Figuren treu. Am Ende weiß man: Der Weg zu einem neuen Humanismus bedarf einer Umkehr. (Michael Pekler, 19.1.2018)