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Donald Trump ist ein Jahr im Amt.

Foto: REUTERS/Kevin Lamarque

Vieles von dem, was er im Stil eines Berserkers ankündigte, hat Donald Trump vertagt, abgeschwächt oder vielleicht vergessen. Die Nafta-Freihandelszone ist nicht passé; das Bekenntnis zur Nato, der vom Kandidaten Trump für überflüssig erklärten Allianz, bleibt US-Politik. Wenn man bedenkt, was für ein zentraler Slogan "Build the wall!" war, dann lässt an einen späten Offenbarungseid denken, was Trumps Stabschef John Kelly ein Jahr nach Trumps Amtsantritt zu dem Thema zu sagen hat: Weder werde die Mauer gebaut, noch werde Mexiko dafür bezahlen. Der Präsident sei "nicht voll informiert" gewesen, als er das Versprechen abgab.

Die These, wonach Donald Trump nur Weltmeister der Ankündigung sei, unterschätzt aber die Wirkung der leisen, systematischen Schritte, mit denen der selbsternannte Rebell die Institutionen umkrempelt.

Umbau der Gerichte

Allem voran die Justiz: Nicht nur, dass er mit der Ernennung Neil Gorsuchs die Kräftebalance im Supreme Court, nach etwa einjährigem Patt, zugunsten der Konservativen verschob – er wird schon jetzt als der US-Präsident in die Annalen eingehen, der in seinen ersten zwölf Amtsmonaten mehr Richterstellen an den Berufungsgerichten neu besetzte als irgendeiner seiner Vorgänger.

Zugute kam ihm die Blockadetaktik der Republikaner, die in der Schlussphase des Präsidenten Barack Obama einen nach dem anderen ausbremsten, dessen Nominierung die Demokraten im Kongress durchzusetzen versuchten.

Die Folge ist ein Vakuum, das Trump füllen kann, wohlgemerkt mit Juristen, die auf Lebenszeit berufen werden. Im März feuerte er 46 der 93 Anwälte, die die USA vor den höheren Instanzen des Bundes vertreten und die nach Obamas Abschied nicht gleich zurückgetreten waren. Das allein ist zwar nicht ungewöhnlich. Neu ist allerdings, wie Trump das Amt mit persönlichen Interessen vermengt – was eine Episode am Rande schlaglichtartig erhellt.

Handverlesene Staatsanwälte

Obwohl er sich um Personal der mittleren Leitungsebene ansonsten nicht kümmert, legte er Wert darauf, den Kandidaten für den Hauptstadtbezirk District of Columbia zu einem Gespräch zu empfangen. Jenen Staatsanwalt also, in dessen Zuständigkeit potenzielle Strafverfahren gegen ihn und seine Mitarbeiter fallen.

Ob es sich bei Donald Trump um einen Betriebsunfall handelt, den die amerikanische Demokratie in ihrer Stabilität verschmerzen kann und den sie irgendwann abgehakt haben wird: Viele Debatten in Washington drehen sich um diese Frage. Der Mann habe bereits enormen Schaden angerichtet – womöglich bleibenden Schaden, sagen die Pessimisten. Ein amerikanischer Präsident etwa, der in der Presse einen Feind sieht, das hat es seit Richard Nixon nicht mehr gegeben. Einen Präsidenten, der ungerührt Unwahrheiten wiederholt und von Fake-News spricht, sobald die Medien widersprechen, das gab es in der jüngeren Geschichte noch nie.

"Anleihen bei Stalin"

Jeff Flake, der konservative Senator aus Arizona, der sich keiner Wahl mehr stellt, hat klargemacht, auf welches Niveau sich Trump damit in seiner Sicht begibt. Wenn er Journalisten als "Feinde des Volkes" bezeichne, nehme er eine Anleihe bei Josef Stalin.

Schließlich die gesellschaftliche Langzeitwirkung: Der Spalter im Oval Office zerreißt eine ohnehin schon polarisierte Republik. Das Motiv der Vereinigten Staaten von Amerika: Bei ihm kommt es gar nicht mehr vor. Obama hatte mit der Hoffnung auf Einheit noch eine Wahl gewonnen, auch wenn er die Risse nicht kitten konnte. Trump versucht es nicht nur nicht, er schreibt sich den Vorsatz nicht einmal mehr auf die Fahnen. Ihm geht es allein darum, den harten Kern seiner Anhänger bei der Stange zu halten.

"Der König der Ressentiments", kaum einer hat ihn treffender beschrieben als David Frum, auch er Republikaner. Der frühere Redenschreiber George W. Bushs schreibt im Buch "Trumpocracy", der Präsident habe darauf gewettet, dass sich die Amerikaner stärker an dem, was sie trennt, stoßen, als sie die gemeinsame Erfahrung zu schätzen wissen. Die Wette sei aufgegangen – zumindest fürs Erste. (Frank Herrmann aus Washington, 19.1.2018)