Bild nicht mehr verfügbar.

US-Aktien waren bei ETF-Anlegern zuletzt am beliebtesten. Im Vorjahr flossen in Europa 9,4 Milliarden Euro an Neuinvestments in dieses Anlagesegment.

Foto: AP/Richard Drew
Grafik: STANDARD

Wien – Am Finanzmarkt stehen ETFs derzeit so hoch im Kurs wie noch nie. Im Vorjahr flossen den passiven Indexfonds in Europa knapp 100 Milliarden Euro netto zu. Das stellt einen historischen Rekord dar. Aber auch die gute Performance an den Börsen hat zu einem hohen Zugewinn geführt. Das Plus aus den Markteffekten betrug 29 Milliarden Euro. Das geht aus einer Analyse des Ratinghauses Morningstar hervor. Das verwaltete ETF-Vermögen stieg damit per Ende 2017 auf den Rekordwert von 670 Milliarden Euro. Ende 2016 stand die ETF-Industrie in Europa bei einem Wert von 537 Milliarden Euro (siehe Grafik).

ETF steht für Exchange-Traded Funds. Gemeint sind also Fonds, die direkt über die Börse ge- und verkauft werden können. Als passive Produkte werden ETFs deswegen bezeichnet, weil es das Ziel ist, einen Index abzubilden. Ziel von aktiv gemanagten Fonds ist es, den jeweiligen Vergleichsindex zu schlagen. Dafür braucht es ein aktives Management, weil Papiere laufend ge- und verkauft werden. Das verursacht auch Gebühren, deren Höhe bei aktiv gemanagten Fonds oft kritisiert wird. Im Vergleich dazu sind die Gebühren bei ETFs deutlich geringer. Auch das gilt als Grund für das steigende Interesse an diesen Produkten.

Auf der Jagd nach Rendite

Das meiste Geld der EFT-Anleger floss zuletzt in Aktienindizes: Zwei Drittel des verwalteten ETF-Vermögens sind laut Morningstar derzeit in Aktienprodukten veranlagt – rund 60 Prozent der Neugelder flossen im Vorjahr in Aktien-ETFs. Im passiven Segment zeige sich aber die gleiche Dynamik wie am Markt für aktive Anlageprodukte: Bond-Produkte wachsen dynamischer als Aktienprodukte. So wiesen Bond-ETFs zuletzt eine Wachstumsrate von rund 21 Prozent auf, Aktien-ETFs legten marktbereinigt um gut 17 Prozent zu.

Dass Anleihen so stark nachgefragt werden, mag ob des Niedrigzinsumfeldes auf den ersten Blick verwundern. Die Erklärung hierfür ist, dass jene ETFs am meisten zugelegt haben, die in hochverzinsliche Anleihen aus den Emerging Markets investieren, oder solche, die inflationsindexierte Bonds abbilden. Anleger sind also wieder bereit, für mehr Rendite auch ein entsprechend höheres Risiko einzugehen.

Auch Rohstoffprodukte wurden von den ETF-Anlegern zuletzt wieder stärker nachgefragt. Rund sieben Prozent der Mittelzuflüsse gingen in diese Anlageklasse. Vor allem Gold und breit diversifizierte Rohstoffkörbe wurden von den Investoren im Vorjahr bevorzugt.

Und welche Segmente haben zuletzt überzeugt? Trump-Politik hin oder her, standen US-Standardwerte bei ETF-Anlegern ganz oben auf der Kaufliste. Mit 9,4 Milliarden Euro floss der größte Teil der Neuinvestments in diese Kategorie, gefolgt von globalen Werten (die auch einen starken US-Fokus haben). Die Eurozone und Emerging-Markets-Aktien folgen auf den Plätzen drei und vier.

Anhaltende Nachfrage

Die Nachfrage nach passiven Anlageprodukten könnte auch heuer hoch bleiben – angetrieben von der seit Jahreswechsel geltenden Mifid-II-Richtlinie, die auch den Beratungsprozess neu regelt. Demnach muss für jedes Produkt ein sogenannter Zielmarkt definiert werden. Damit wird festgelegt, welches Produkt an wen vermittelt werden darf. Es gibt drei Zielgruppen: Privatkunden, professionelle Kunden (vor allem institutionelle Anleger) und geeignete Gegenparteien wie etwa Wertpapierhändler oder andere Kapitalanlagegesellschaften. Zudem muss klassifiziert werden, ob das Geschäft beratungsfrei sein soll oder ob eine Beratung gewünscht ist. Ist das Geschäft frei, liegt das Risiko beim Kunden. Bekommen kann er in dem Fall aber auch nur jene Produkte, die für seine Zielgruppe freigegeben sind. Wird Beratung gewünscht, gelten für Betreuer auch neue Pflichten bezüglich Risikoeinstufung und Protokollierung des Beratungsprozesses. Dann kann es dazu kommen, dass ein Kunde ein gewolltes Produkt nicht bekommt, weil es nicht in seine Risikogruppe passt.

Push durch Wegfall von Provisionen

Aufgrund dieser neuen Vorgaben gibt es auch die Befürchtung, dass der Beratermarkt kleiner werden wird, weil die Hürden für die Berater gestiegen sind. Auch das mit Mifid II eingeführte Provisionsverbot könnte ein Push für ETFs sein. Denn Finanzberater dürfen keine Anreize mehr dafür annehmen, dass sie ein Produkt einem anderen vorziehen. Das den Beratern oft vorgeworfene Thema der Bestandsprovisionen ist also gefallen. Daher macht es für Berater keinen Unterschied mehr, ob ein Fonds oder ein ETF angeboten wird. Aufgrund der geringeren Kostenstruktur – und auch die Kosten eines Produktes müssen mit Mifid II klar ausgewiesen werden – werden wohl viele lieber zu ETFs greifen. (Bettina Pfluger, 21.1.2018)