"Hier sollte man ein Denkmal für Donald Trump erreichten. Viele haben dank Trump viel Geld verdient", erzählt mir Bojan und zeigt auf den Stadtpark von Veles, einer Kleinstadt in Zentralmazedonien. In der anderen Hand hält er ein Smartphone auf dem seine Webseite zu sehen ist: Schlichtes Design, kurze Texte, reißerische Titel, großformatige Fotos. Dazwischen viele Werbebanner. "Dieser Werbung verdanke ich alles, was ich besitze", sagt der 19-Jährige. Bojan hat wie viele andere hier während der us-amerikanischen Präsidentschaftskampagne eine Webseite mit gefakten Pro-Trump-Nachrichten gegründet.

Die verarmte, einstige Industriestadt mir derzeit rund 43.000 Einwohnern wurde 2016 vom digitalen Goldfieber erfasst. Hunderte Webseiten wie WorldPoliticus.com, TrumpVision365.com, USConservativeToday.com oder DonaldTrumpNews.co gingen an den Start. Die Seiten bringen in der Regel falsche Nachrichten wie etwas 'I Would Like To See People Like Donald Trump Run For Office; They’re Honest And Can’t Be Bought', Wow! Queen Elizabeth Invited Trump — This Is A Game Changer. Als der britische Guardian im August 2016 einen Artikel über dieses Phänomen in der mazedonischen Kleinstadtf brachte, zählten sie rund 150 Webseiten. Wie viele derartige Portale mittlerweile in Veles betrieben werden, vermag niemand zu zählen.

Das digitale Wunder von Veles

"Jeder zweite Jungendliche hier hat oder hatte irgendetwas mit diesen Seiten zu tun. Ich schätze, dass es zur Zeiten der Präsidentschaftskampagne drei bis fünf Tausend solcher Seiten bei uns gab. Derzeit sind noch 200 aktiv", erzählt Bojan. Das ist nicht sein richtiger Namen. In Veles möchte niemand unter seinem echten Namen darüber reden, wie er Fake News produziert und verbreitet. Sie wollen auch nicht, dass die Geschischte des "digitalen Wunder von Veles" bekannt wird, denn immer öfter werden ihre Seiten von Google und Facebook gesperrt. Die Anonymität schürzt sie auch vor Nötigung. Wenn bekannt wird, dass sie mit Fake News viel verdienen, befürchten sie Besuche von Schutzgelderpressern.

Bojan hat 2016 seinen Abschluss an der örtlichen Handelsakademie gemacht. Es ist eine von vierMittelschulen in Veles. Seine vierköpfige Familie lebte von 230 Euro im Monat, die sein Vater bei einem Autozulieferer verdient. Seine Mutter ist arbeitslos, genauso wie 25 Prozent aller arbeitsfähigen mazedonischen Bürger. Bojan wollte nach der Matura ein bis zwei Jahre arbeiten um Geld für ein Studium in der Hauptstadt Skopje anzusparen. In Veles Arbeit u finden ist keine leichte Angelegenheit. Er könnte für 250 Euro im Monat kellnern, oder wie sein Vater in der Fabrik arbeiten. Mit diesem Gehalt kann man kaum etwas auf die Seite legen.

"Um eine Wohnung zu mieten brauche ich 100 Euro, weitere 100 für Fixkosten, 200 für Lebensmittel, einen Job ,der das einbringt, gab es in Veles nicht. Und dann fing um Sommer 2016 das Gerede von den Webseiten an". Bojan und zwei seiner Schulkollegen lernten in einer Wochen alles was sie brauchten, um eine Fake News-Seite zu errichten und Geld im internet zu verdienen.

Auf dem Trump Train

"Es sind nur ein paar Schritte, die dich vom Geld trennen. Du kaufst eine Domain und erstellst eine Seite. Auf internationalen Seiten suchst du Nachrichten, echt oder nicht, das ist egal. Du veränderst ein wenig den Inhalt, musst aber auch nicht, wichtig ist nur ein einschlägiger Titel. Dann meldest du dich zum Beispiel bei Google AdSense oder einem anderen Dienst an, der automatisch Werbung bei dir schaltet. Nachrichten von deiner Seite postest du auf Facebook-Seiten der Trum-Unterstützer wie Reclaim America, Trump Troopers 2017 oder Trump Train. Dann wartest du bis Leute deine Geschichten anklicken. Und so kommt Dollar für Dollar bei dir an", erklärt Bojan.

In den 16 Monaten seit dem sie ihre Seite gestartet haben, haben Bojan und seine Freunde 80.000 Dollar verdient. Das ist sehr viel Geld in einem Land, in dem das Durchschnittsgehalt 372 Euro beträgt.

Millionäre und Mitfahrer

"Unser Business ist mittelgroß, würde ich sagen. Es gibt Leute in Veles, die mit ihren Seiten eine Million Dollar verdient haben. Das sind aber ganz wenigen, die auf Facebook Fanseiten mit 800.000 Mitgliedern haben und dann auch bei Facebook 200 bis 300 Werbeanzeigen täglich kaufen. Das sind Investition, die viele Klicks einbringen. Amerikanische Klicks, die viel mehr einbringen als andere", sagt Bojan.

Und weil Klics aus den Vereinigten Staaten das meiste Geld bringen, und Trump-Fans gerne auf ihre Nachrichten klicken, bauen die Menschen in Veles Seiten, die sich an US-Amerikaner richten. Donald Trump ist den Seitenbetreibern egal, die meisten interessieren sich nicht mal für die us-amerikanische Politik. Sie veröffentlichen Fake News weil diese mehr Klicks bringen als echte.

Fakes überall

Die Fake News Ära fing in Veles vor drei Jahren mit "gesunder Ernährung" an. Die Urahnen des Fake News-Business sind die soggenanten "healthy food brothers" Borče und Aleksandar Velkovski, die Betreiber der Seite healthyfoodhouse.com. Sie veröffentliche täglich Texte über Gesundheit und Schönheit. In ihren Artikeln behauten sie etwa, dass man mit einer Zitronenscheibe auf dem Nachtkastl voller Energie aufwachen wird, oder dass Bananen und Avocado besser gegen Depressionen helfen als Medikamente.

"Zuerst haben sich die Leute über sie lustig gemacht, aber als sie die neue Autos und das renoviere Haus sahen, lachte niemand mehr. Andere fingen dann an ähnliche Seiten über Ernährung, Autos oder Sport zu betreiben", erzählt der 21jährige Jus-Student Aleksandar Stojkovski. Wie die meisten, die man fragt, verurteilt Stojkovski jene die Fake News Seiten betreiben nicht, auch wenn er selbst es nicht machen würde. "Mazedonien ist wirtschaftlich ruiniert. Wie kann ich die Leute für das Verbreiten von Fake News verurteilen, wenn das staatliche Fernsehen bis vor kurzem falsche Nachrichten verbreitet. Sie berichten über neue Arbeitsplätze und wie Mazedonien aufblüht, aber in Wahrheit protestieren die Leute auf der Straße, Menschen sind arm und die gesamte politische Kaste korrupt. Das sind echte Probleme und nicht die Kids die Fake News verbreiten, die man lesen kann, aber nicht muss", betont Aleksandar.

Wir sitzen in der Petre Prličko-Straße, im Stadtzentrum, gegenüber des neuen Theaters "Džinot". Entlang der Straße reihen sich Läden und Cafés einandere, aber viel Luxus haben diese der neuen Geldelite nicht zu bieten. Ein Handy, Markenturnschuhe, ein Abendessen und eine Flasche Whiskey im Restaurant sind die teuersten Sachen, die man in Veles kaufen kann.

Gesetzestreu und wirtschaftsfördernd

Der Bürgermeister der Stadt Slavčo Čadiev empfängt uns in seinem Büro. Er gehört VMRO-DPMNE an, jener rechtskonservative Partei, die 11 Jahre lang in Mazedonien an der Macht war, bevor sie im Juni 2017 abgewählt wurde. Der Bürgermeister weiß, dass seine Stadt wegen der Fake News Seiten berühmt geworden ist. Es stört ihn nicht. "Die Jungs sind geschickt. Sie haben kein einziges mazedonisches Gesetzt gebrochen und sie zahlen ihre Steuern. Veles hat keine Probleme mit ihnen. Auf der Straße sieht man bessere Autos und die Wirtschaft haben sie auch angekurbelt".

Ethisch Vertretbares

Elena träumt nicht von teueren Autos, sie will nur ein anständiges Leben für ihre Familie. Sie ist 34 Jahre alt und unterrichtet am städtischen Gymnasium. Ihr Monatsgehalt beträgt 370 Euro, ihr Ehemann ist Taxifahrer und verdient rund 200 Euro im Monat. Sie haben einen vier Jahre alte Tochter, Elena ist im siebten Monat schwanger. Wir haben uns im Hotel Gardenia in der Vorstadt getroffen, sie möchte nicht im Gespräch mit einer Journalistin gesehen werden.

"Ich habe einen Universitätsabschluss und eine gute Stelle und trotzdem Leben wir schlecht. Deswegen habe ich im April 2017 meine Seite gestartet. Alle reden davon, dass man damit schnell Geld verdienen kann, also wollte ich es auch probieren", sagt Elena. Für 48 Dollar hat sie die Domain americantodayreport.com gekauft. Sie veröffentlich vor allem reißerischen Pro-Trump-News, wenn auch keine Fake News, wie sie sagt: "Das kann ich ethisch nicht vertreten. Außerdem erkennen die Leser immer besser Fake News und blocken die Seiten, die nur solche verbreiten, damit sinken die Klickraten".

Tagsüber sammelt Elena Nachrichten auf den großen Portalen wie New York Times, The Independent, The Guardian oder Daily Mail, schreibt sie um und setzt sie neu zusammen. Gegen Mitternacht, wenn Ehemann und das Kind schlafen, sitzt sie in der Küche und postet ihre Artikel in einschlägigen Facebook-Gruppen. Sie postet unter ihrem echten Namen und findet oft Links, die ihre Schüler in den gleichen Gruppen setzen. "Wenn Kinder damit Geld verdienen, kann ich das auch. Mit ein paar Hundert Euro im Monat wäre ich zufrieden", sagt Elena.

Während wie auf dem Weg zurück durch die ehemalige Industriezone der Stadt fahren, zeigt Elena auf zwei junge Männer in der Dunkelheit: "Sie betreiben auch eine Seite mit politischen Nachrichten. Aber mit gefälschten."

Veles ist in der Post-Truth-Ära angekommen. (Barbara Matejčić