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Podborski: "Viele Rennfahrer gehen an den Start und hoffen zu gewinnen, ich habe geplant zu gewinnen. Ich habe viel trainiert, getüftelt und viel Zeit in die Präparierung der Skier investiert um das Beste herauszuholen, wollte nicht hoffen, dass es gut geht."

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"Wichtig ist, dass man sein ganzes Leben lang immer das Richtige tut!"

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Crazy Canucks: Ken Read (li), Steve Podborski und Dave Irwin (re).

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STANDARD: Wie war Ihr erstes Mal Kitzbühel 1974?

Steve Podborski: Ich erinnere mich noch sehr genau, denn als ich im Starthaus stand, fragte ich mich, ob das wirklich eine gute Idee ist. Es war meine erste Saison im Weltcup und ich war erst 17. Als ich mir den Steilhang ansah, konnte ich mir nicht vorstellen, wie ich da jemals um die Kurve kommen sollte. Gut ausmalen konnte ich mir allerdings, in die Streckenbegrenzung zu krachen, die damals noch sehr dürftig war, aus Holzzäunen und Stroh bestand.

STANDARD: Sie haben es aber trotzdem gewagt?

Podborski: Meine Teamkollegen sagten mir, dass es okay sein sollte, also ging ich an den Start, machte mich bereit und konnte nicht glauben, dass der Hubschrauber mit einem Rettungstransportsack fliegt und ich nun starten sollte. Als ich dann aus dem Starthaus sprang, fand leider ein Sinneswandel statt. Die Kollegen dachten wohl nur, dass ich die Streif meistern könne, weil sie sich nicht vorstellen konnten, was sich in meinem Kopf abspielte. Ich schaffte es dann aber ohne ungeplanten Stopp hinunter, allerdings stürzte ich zwei Jahre später am Hausberg, verletzte mich am Knie und versäumte Olympia in Innsbruck.

STANDARD: Ein anderes Mal stürzten sie auf der Streif auch schwer, blieben aber von schweren Verletzungen verschont.

Podborski: Ich stürzte bei der Steilhangausfahrt über den Zaun. Als ich landete und die Augen öffnete, wusste ich nicht, wo ich war. Ich dachte, man hat mich irgendwo anders hingebracht, Es dauerte ungefähr 30 Sekunden, bis ich realisierte, wo ich war. Dann stieg ich zurück, warf meine Skier über den Zaun und begab mich wieder auf die Strecke.

STANDARD: Waren die damaligen Sicherheitsvorkehrungen mit teils hart gefrorenen Strohballen und gefährlichen Holzlattenzäunen nicht der reinste Wahnsinn?

Podborski: Das war wirklich verrückt, aber die Sicherheitsmaßnahmen haben sich in ähnlich hohem Tempo entwickelt wie in der Formel 1, wo man mit der Zeit auch viel verändert und nun auch eine wesentlich höhere Sicherheit hat. Installation und Entwicklung der Fangnetze sind aber weiterhin eine große Herausforderung.

STANDARD: Wurden Sie in Kitzbühel öfter mit schwarzem Humor konfrontiert, zum Beispiel besser nicht auszupacken, damit die Kollegen nicht für Sie einpacken müssen?

Podborski: Nicht oft, es ist auch so Furcht einflößend genug. Ich bin draufgekommen, dass dir die Leute nicht vermitteln können, wie verrückt die Abfahrt in Kitzbühel ist. Ich habe festgestellt, dass es zwei Wettkämpfe auf der Streif gibt, einer spielt sich in deinem Kopf ab und dreht sich um die Frage, ob man diese Strecke in Renntempo bewältigen kann und lebend runter kommt. Wenn man dann beschlossen hat, dass dies möglich ist, geht es darum, ob man gewinnen kann. Und das macht es doppelt so schwer wie auf jeder anderen Rennstrecke.

STANDARD: Hatten Sie jemals regelrecht Angst vor einer Abfahrt in Kitzbühel?

Podborski: Beim ersten Mal war ich etwas beunruhigt. Nachdem ich aber gesehen habe, dass ich es kann, habe ich im nächsten Schritt versucht, schnell zu sein. Das ist das größte Problem. Wirklich gefürchtet habe ich mich nie, weil ich daran glaubte, dass ich es kann.

STANDARD: Sie haben die Abfahrt 1981 und 1982 gewonnen. Ihre bedeutsamsten Erfolge?

Podborski: In vielerlei Hinsicht ja. Wenn man die Ziellinie überquert hat, sich umdreht, zurückblickt und dann dort oben die Eins sieht, ist das schon sehr speziell, keine Frage. Als ich zweimal Zweiter wurde, war das auch nicht so schlecht, aber ich wollte schon viermal gewinnen. Man muss aber auch zweite Plätze als Erfolg sehen. Kitzbühel ist mit Sicherheit das beste Skirennen, das ist Rennfahren pur.

STANDARD: Die Kanadier wurden damals wegen des riskanten Fahrstils als Crazy Canucks bezeichnet. Mochten Sie dieses Image?

Podborski: Es passte nicht so ganz zu mir, mein Style war ziemlich kontrolliert, ich legte großen Wert auf Technik. Auch die mentale Einstellung ist im Spitzensport enorm wichtig.

STANDARD: Welchen Plan haben Sie verfolgt, um erfolgreich zu werden?

Podborski: Das Wichtigste ist, dass man alle Vorbereitung getroffen hat. Viele Rennfahrer gehen an den Start und hoffen zu gewinnen, ich habe geplant zu gewinnen. Ich habe viel trainiert, getüftelt und viel Zeit in die Präparierung der Skier investiert um das Beste herauszuholen, wollte nicht hoffen, dass es gut geht.

STANDARD: War die damit einhergehende Weiterentwicklung dafür verantwortlich, dass sie später einmal sagen konnten, dass sie talentierte Rennfahrer zum Frühstück verspeisen würden?

Podborski: Viele talentierte Fahrer verstanden nicht, dass sie von anderen geschlagen werden, wenn sie nicht genug trainierten. Mein Vorbild war Franz Klammer, er hat alles richtig gemacht, er war ein erstaunlicher Athlet. Also überlegte ich, wie ich ihn schlagen könnte. Klammer schlagen? Das war verrückt, in meiner Welt war das nämlich praktisch unmöglich. Meine Aufgabe war daher, mehr zu tun als andere, ich musste härter arbeiten und zäher sein als er.

STANDARD: Sie haben 1982 als bislang einziger Nicht-Europäer den Abfahrts-Weltcup-Titel geholt.

Podborski: Das ist schon erstaunlich. Der Abfahrtsweltcup ist sehr schwer zu gewinnen, hat in vielen Nationen einen hohen Stellenwert, es gibt viele verschiedene Kurse, große Herausforderungen, die zwischen einer langen Verletzungspause und dem Triumph stehen. Ich bin schon sehr stolz darauf.

STANDARD: Aktuell läuft es für die kanadischen Abfahrer nicht besonders. Erik Guay ist verletzt, Manuel Osborne-Paradis und Dustin Cook liefern eher mittelprächtige Ergebnisse. Wie lautet Ihr Befund?

Podborski: Ich glaube, man müsste sich mehr Zeit für Entwicklungsarbeit nehmen, um die Kluft zwischen den Provinzteams und der Nationalmannschaft zu verkleinern.

STANDARD: An finanziellen Mitteln fehlt es nicht?

Podborski: Es gibt nie genug Geld mein Freund!

STANDARD: Sie wollten einmal bei den von der Tabakindustrie gesponserten kanadischen Meisterschaften auf einen Start verzichten, sind dann aber doch angetreten.

Podborski: Ich wollte die Tabak-Industrie nicht unterstützen. Die Organisatoren und Trainer erklärten mir aber, dass es wegen der Punkte und dem Ranking wichtig wäre anzutreten. Ich bin dann gestartet, habe aber erklärt, dass ich die Trophäe nicht annehmen würde. Für mich war es nur schwer zu ertragen. Bemerkenswert war, dass ich daraufhin mehr Fanpost bekam, als in meiner gesamten Rennfahrerkarriere. Wichtig ist, dass man sein ganzes Leben lang immer das Richtige tut!

STANDARD: Sie sind CEO von Parachute, einer nationalen Organisation, die zum Ziel hat, Verletzungen zu vermeiden. Beschränkt sich das Aufgabengebiet auf Sportveranstaltungen?

Podborski: Nein, unser Job ist es, Leben zu retten, zu verhindern, dass jemand in Kanada sich verletzt oder verletzt wird, egal ob im Alltagsleben oder bei sportlichen Aktivitäten. Konkussion ist gerade ein großes Thema. Ziel ist es, dass möglichst viele ein langes, glückliches Leben führen können. Wenn wir unseren Job gut machen, weiß keiner etwas von uns. Das ist der lustige Aspekt dieser Arbeit. (Thomas Hirner aus Kitzbühel, 19.1.2018)