Nach dem Brexit soll Europa nicht von Großbritannien isoliert sein: Boris Johnson will eine Brücke bauen.

Foto: APA/AFP/Marin

Paris/London – Die französische Regierung hat die Idee des britischen Außenministers und vehementen Brexit-Befürworters Boris Johnson für den Bau einer Brücke über den Ärmelkanal zurückgewiesen. "Alle Ideen verdienen es, erörtert zu werden, auch die abwegigsten", sagte Wirtschafts- und Finanzminister Bruno Le Maire am Freitag dem Radiosender Europe 1.

Großbritannien sei bereits durch den Eurotunnel mit dem europäischen Festland verbunden. "Wir haben große europäische Infrastrukturprojekte, deren Finanzierung komplex ist. Lasst uns diese Sachen fertigstellen, die bereits im Gang sind, bevor wir über neue nachdenken."

Zweite Verbindung

Einem Bericht des "Daily Telegraph" zufolge hatte Johnson dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron gesagt, es sei absurd, dass die beiden Länder lediglich durch den Eurotunnel verbunden seien. Er habe Macron deshalb den Bau einer zweiten Verbindung über den Ärmelkanal vorgeschlagen, worauf der französische Präsident geantwortet habe: "Ich stimme zu. Lasst uns das machen."

Im Zuge des britisch-französischen Gipfels in Sandhurst am Donnerstag twitterte Johnson, dass der wirtschaftliche Erfolg beider Länder von guter Infrastruktur und guten Verbindungen abhänge. "Soll der Kanaltunnel nur der erste Schritt sein?" fragte Johnson. Später twitterte er ein Bild, auf dem er und Macron die Daumen emporrecken.

Johnson hatte sich vor dem Brexit-Referendum 2016 nachdrücklich für einen Abschied seines Landes aus der EU eingesetzt. Als eines der Argumente für den Austritt führte das Brexit-Lager die Migration ins Königreich an und verwies dabei auch auf illegale Einreisen durch den Eurotunnel. Die Berufung Johnsons zum Außenminister hatte auf EU-Seite für Irritationen gesorgt, nachdem dieser die Ziele der Staatengemeinschaft für eine Vereinigung Europas mit denen von Adolf Hitler und Napoleon verglichen hatte.

Handel und Tourismus ankurbeln

Dem "Daily Telegraph" zufolge betrachtet der ehemalige Bürgermeister von London eine privat finanzierte, 35 Kilometer lange Brücke über den Ärmelkanal als Option. Diese könne Handel und Tourismus in Großbritannien nach dem Brexit ankurbeln. "Die Technologie entwickelt sich ständig weiter, und es gibt anderswo viel längere Brücken", sagte Johnson laut dem Bericht zu seinen Mitarbeitern. Ein Sprecher des britischen Außenministeriums wollte sich nicht dazu äußern.

Der Vorsitzende der britischen Schifffahrtsgesellschaft, Guy Platten, bewertete Johnsons Vorschlag skeptisch. "Der Bau einer 35 Kilometer langen Brücke wäre eine Herausforderung, vor allem, weil die größten Schiffe im Ärmelkanal eine Höhe von mehr als 60 Metern haben." Der Ärmelkanal sei die meistbefahrene Schifffahrtsroute der Welt, auf der pro Tag viele Hundert Schiffe unterwegs seien. (APA, Reuters, 19.1.2018)