Bild nicht mehr verfügbar.

Steuerhinterzieher und Besitzer illegal gebauter Häuser lebten in Griechenland bisher gut ohne Kataster.

Foto: AP / Petros Karadjias

Mit roten Farbbeuteln und mit Brandsätzen sind linksextreme Gruppen zu Wochenbeginn gegen die Polizei vor den Mauern des Parlaments in Athen angerannt. Vergeblich versuchten sie zusammen mit den Gewerkschaften die Neuregelung des Streikrechts und der Zwangsversteigerungen zu verhindern. Eine wichtige Reform in dem wohl letzten großen Sammelpaket von Gesetzen vor dem Ende von Griechenlands Kreditprogramm im August machte dafür wenig Aufsehen: der Aufbau einer neuen Katasterbehörde.

Griechenland ist das einzige Land in Europa, das noch kein Grundbuch hat. Aber die Griechen arbeiten daran. Seit 23 Jahren. In der künftigen griechischen Katasterbehörde werden nun die bisherige nationale Agentur und knapp 400 lokale, privatwirtschaftlich organisierte Grundbuchbüros im Land zusammengeführt. Die neue Behörde soll einen ziemlich ambitionierten Endspurt hinlegen.

Eines der 400 privat organisierten Grundbuchbüros in Griechenland.
Foto: Markus bernhardt

Offiziell bis 2020 – innerhalb von nur zwei Jahren – will Griechenland sein Kataster fertiggestellt haben. Dies wird Investitionen erleichtern. Weniger als ein Drittel des Grundbesitzes im Land, exakt 29,2 Prozent, sind seit Beginn der Kataster-Saga im Jahr 1995 erst kartografiert und rechtlich zugeordnet worden.

Präsident der Kartografie-Agentur: "Bei Null begonnen"

23 Jahre seien eigentlich keine lange Zeit, gibt der Präsident der Nationalen Kataster- und Kartografie-Agentur, Byron Nakos, zu bedenken. "Wir haben bei Null begonnen", erklärt der Professor für Kartografie. Die ersten Jahre vergingen mit Pilotprojekten, um die Probleme bei der Vermessung herauszufinden. Allerdings verschleppte sich dann die Angelegenheit, sodass Griechenland gezwungen war, im Jahr 2003 insgesamt 100 Millionen Euro aus einem Hilfsfonds an die EU zurückzuzahlen.

Denn am Weiterbestand wenig durchsichtiger Eigentumsverhältnisse bei Grund und Boden gab es in Griechenland durchaus auch Interesse. Für Steuerhinterzieher und Besitzer illegal gebauter Häuser war das Fehlen eines Katasters lange ein Vorteil. Zweifelhaft ist auch, ob private Firmen, die Grundbücher für die Bürger führen, die dem Staat zustehenden Einnahmen bei Eintragungen stets vollständig abgeführt haben.

Alte Grundbuchkarte vom Dodekanes: Die Italiener waren die Einzigen, die während ihrer Herrschaft über diese Inselgruppe von 1912 bis 1947 ein Kataster begonnen haben.
Foto: Markus Bernhardt

Überhaupt war die Übertragung von Immobilien bis vor kurzem noch eine recht aufwendige Sache, die bis zu 40 Steuern und Abgaben mit sich zog. Grundeigentümer auf dem Land verzichteten deshalb mitunter auf den Gang zum Notar und auf die Eintragung im örtlichen Grundbuchbüro. Dass für den Besitz etwa von landwirtschaftlichen Flächen oder Häusern in einem Dorf kein schriftlicher Titel existiert, ist in Griechenland deshalb keine Seltenheit; Grundbesitz wurde in Familien auch mündlich und über Generationen hinweg weitergegeben. Das macht nun die Aufstellung eines nationalen Katasters nicht gerade leichter.

Rund 33 Millionen Eigentumstitel

"Dieses Land entdeckt immer aufs Neue die Wirklichkeit", stellt Byron Nakos, der Leiter der griechischen Katasterbehörde, ohne viel Ironie fest. Der 62-jährige Wissenschafter hat jetzt die letzte Phase der Kartografierung des Grundbesitzes in Griechenland eingeleitet. Veranschlagt sind dafür noch einmal etwa 300 Millionen Euro. Ein Teil davon – 83,5 Millionen – kommt aus Brüssel, soll aber nur als Sicherheitspolster dienen für den Fall, dass die Behörde die Unternehmung doch nicht ganz selbst finanzieren kann. Für jede normale Registrierung im neuen nationalen Grundbuch kassiert sie 35 Euro. 33 Millionen Eigentumstitel könnte es in Griechenland geben, so lautete einmal eine Schätzung – von einem Parkplatz fürs Auto bis zu einem Fußballstadion.

Alles deutet darauf hin, dass die Aufstellung eines Katasters dieses Mal tatsächlich zu Ende gebracht wird. In den letzten Tagen des vergangenen Jahres unterschrieb die Katasterbehörde 27 Projektverträge mit Unternehmen zur Kartografierung des großen Rests des Landes; fünf weitere öffentliche Ausschreibungen werden noch von Bietern vor Gericht beeinsprucht. Diese Rechtsstreitigkeiten, die in der Vergangenheit die Arbeit an einem nationalen Grundbuch gelähmt hatten, würden dank erleichterter Verfahren rasch beigelegt, versichert Nakos.

Die Agentur, die er seit 2015 führt, hat bereits die Besitzverhältnisse in Griechenlands Küstenzone registriert sowie mehr als ein Drittel der Waldflächen, die in der Regel dem Staat gehören. Für April kündigt sie eine Premiere an: das erste zusammenhängende Grundbuch der Hauptstadt Athen. (Markus Bernath aus Athen, 19.1.2018)