Oberösterreich mit seinen starken Industrieregionen fehlen Arbeitskräfte. Warum nicht Asylwerber während der Berufsausbildung nicht abschieben, fragt man sich in OÖ.

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Wien – Die vielen Kameras und Mikrofone ist Martina Gusenbauer nicht gewöhnt, weshalb sie zunächst nervös wirkt. Die Bautechnikerin und Malermeisterin ist am Freitag nach Wien gekommen, um vor Journalisten über Amir H. zu sprechen. Amir ist ein im Iran geborener Afghane, der im Mai 2015 nach Österreich gekommen ist.

Er absolviert im Linzer Malerbetrieb Hauser eine Lehre. Vor kurzem wurde sein Asylantrag in erster Instanz abgelehnt. Der Malerbetrieb und dessen führende Mitarbeiterin Gusenbauer wollen den Afghanen behalten. Nach ein paar Worten hat sie ihre Nervosität abgelegt: "Warum dürfen Menschen, die sich vorbildlich integrieren und Freude an der Arbeit haben, ihre Lehre nicht fertigmachen?"

Lehre in einem Mangelberuf

Die Malermeisterin ist eines der Aushängeschilder der Kampagne des oberösterreichischen Integrationslandesrates Rudi Anschober (Grüne). Anschober kämpft gegen die Abschiebung von Asylwerbern, die eine Lehre absolvieren. Eine Onlinepetition wurde gestartet, Pressetermine mit Prominenten wie Katharina Stemberger in Wien organisiert. Nun starten landesweite Kinospots, in denen oberösterreichische Unternehmer ihre Erfahrungen schildern.

Zurzeit absolvieren mehr als 700 Asylwerber eine Lehre in einem Mangelberuf in Österreich. Besonders in Oberösterreich waren Sozialpartner und Arbeitsmarktservice aktiv, fast 300 der Lehrplätze wurden hier geschaffen. Über die vergangenen Wochen haben sich die negativen Asylbescheide der meist afghanischen Lehrlinge gehäuft, gut 50 Fälle soll es laut Anschober geben.

NGOs sprechen davon, dass Afghanen häufiger negative Asylbescheide erhalten, seitdem es eine Vereinbarung der EU mit der Regierung in Kabul gibt, wonach Asylwerber zurückgenommen werden. Das Innenministerium spricht davon, dass die Verfahren ihren Gang nehmen und es keine besondere Häufung gibt.

Anschober forciert das Thema, ohne die Mitleidskarte zu spielen. Die Lehrlinge wollen leisten und sich in Österreich integrieren, liegen niemandem auf der Tasche, und Unternehmen wie die Firma Hauser tun sich schwer, Arbeitskräfte zu finden. Das ist seine Botschaft. Seine Forderung: Österreich soll eine Regelung schaffen wie in Deutschland. Dort gilt, dass Asylwerber während der Berufsausbildung drei Jahre lang nicht abgeschoben werden. Finden sie danach Beschäftigung, verlängert sich die Schonfrist um zwei Jahre.

Fachkräftemangel

Einwenden ließe sich, dass hier Dinge vermischt werden: Im Asylverfahren geht es primär darum festzustellen, ob Menschen verfolgt werden. Ist das der Fall, muss ihnen Schutz gewährt werden. Aber ist es legitim, wirtschaftliche Argumente und den Grad der Integration zu berücksichtigen? Wenn Fachkräfte fehlen, müssten diese dann nicht über eine Schiene für Arbeitsmigranten geholt werden?

Anschober sagt dazu, dass er diesen Punkt anders bewerte. Es sei ökonomisch widersinnig, Unternehmen, die händeringend nach Arbeitnehmern suchen, diese wegzunehmen. Die Mehrheit der Bevölkerung sehe das ähnlich. Helga Longin vom Verein "Unser Bruck hilft", der sich für Asylwerber einsetzt, argumentierte bei der Pressekonferenz mit Anschober so: Wer Lehrlinge abschiebt, sorgt dafür, dass "gut Integrierte schlechtere Chancen haben zu bleiben als jene, die untertauchen".

Unbestritten ist, dass Oberösterreich mit seinen starken Industrieregionen Arbeitskräfte fehlen. Das deutsche Institut Wifor schätzt, dass dem Bundesland bis zum Jahr 2020 gut 13.000 Fachkräfte mit Lehrausbildung fehlen werden. Aktuell wird der Engpass mit 8000 Personen beziffert. (szi, 19.1.2018)