Martin Schulz, SPD-Chef.

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Berlin – Union und SPD stellen sich nach der knappen Zustimmung der Sozialdemokraten auf schwierige Koalitionsverhandlungen in Deutschland ein. Für Ärger in der Union sorgt die SPD-Forderung, die Sondierungsergebnisse in der Arbeits-, Gesundheits- und Flüchtlingspolitik nachzubessern. Das CSU-Präsidium sprach sich noch am Sonntagabend gegen eine Neuverhandlung aus.

ORF-Korrespondentin Birgit Schwarz analysiert die Entscheidung der SPD.
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"Es gab keine Stimme, die dies für verhandelbar erklärt hat", sagte CSU-Chef Horst Seehofer. SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles warnte ihre Partei vor zu hohen Erwartungen.

Knappe Entscheidung

Der SPD-Sonderparteitag hatte am Sonntag Verhandlungen über eine große Koalition zwar knapp gebilligt, die Parteiführung aber zugleich aufgefordert, mehrere Punkte wieder in die Gespräche aufzunehmen. Dazu zählen die Abschaffung grundlos befristeter Beschäftigungsverhältnisse, die Überwindung der "Zweiklassenmedizin" und eine "weitergehende Härtefallregelung" für den Familiennachzug von Flüchtlingen.

Nach dem knappen Ja des SPD-Parteitags können in Deutschland jetzt Verhandlungen über eine große Koalition beginnen.
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Union und SPD wollen nun schnell Gespräche aufnehmen. Bereits am Montagabend ist ein Treffen von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und CSU-Chef Seehofer mit dem SPD-Vorsitzenden Martin Schulz geplant. Dabei wollen sie organisatorische Fragen klären und Abläufe festlegen. Zuvor stimmen sich Union und SPD intern ab.

Jusos wollen "Ergebnis sprengen"

Die Koalitionsverhandlungen sollen noch in dieser Woche beginnen. Ziel der Union ist, vor Ostern eine stabile Regierung zu haben. Allerdings sollen vorher noch die SPD-Mitglieder über den Koalitionsvertrag abstimmen. Genau hier wollen die parteiinternen Gegner einhaken. Die Jusos haben angekündigt, eine Kampagne für SPD-Eintritte zu starten, um ihr Lager zu stärken. "Jetzt gilt es, möglichst viele GroKo-Kritiker in die Partei zu holen, damit wir beim Mitgliederentscheid das Ergebnis sprengen können", sagt der Juso-Chef in Nordrhein-Westfalen, Frederick Cordes, der "Rheinischen Post". Juso-Chef Kevin Kühnert sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, er wolle eine "Anti-GroKo-Tour" durch Deutschland starten, um die Parteimitglieder von einem Nein zu überzeugen.

"Rahmen, den wir verhandeln"

Die CDU-Spitze beriet am Sonntagabend über das weitere Vorgehen. Merkel ließ offen, ob noch Änderungen am Sondierungspapier möglich sind. Der CDU sei wichtig, dass Deutschland eine stabile Regierung bekomme, die Lösungen für die Zukunftsfragen in Angriff nehmen könne. "Das Sondierungspapier ist dabei der Rahmen, in dem wir verhandeln."

Die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) wandte sich gegen weitreichende Zugeständnisse an die SPD. "Es ist normal, dass die SPD neue Punkte in die Gespräche einbringen will. Das können aber nicht Punkte sein, die das Ergebnis der Sondierungen revidieren würden", sagte sie der "Rheinischen Post" vom Montag. Der CDU-Wirtschaftsrat mahnte, man dürfe der SPD "keinen Millimeter mehr entgegenkommen". Schon die in den Sondierungen getroffenen Vereinbarungen seien "ein enormer Belastungstest für den Wirtschaftsstandort Deutschland und seine Arbeitsplätze", sagte Generalsekretär Wolfgang Steiger der "Bild"-Zeitung.

Nahles will "so viel wie möglich rausholen"

SPD-Chef Schulz bekräftigte hingegen am Sonntagabend in der ARD, dass sehr wohl noch weitere Themen zu behandeln seien. SPD-Fraktionschefin Nahles dämpfte indes zu hohe Erwartungen. "Wir haben einen klaren Auftrag, Koalitionsverhandlungen aufzunehmen, und wir haben sehr klare Positionen, die wir da mitnehmen sollen", sagte Nahles am Sonntagabend im "Heute-Journal" des ZDF. "Da werden wir uns reinwerfen, gute Ergebnisse rausholen." Zugleich räumte sie ein: "Aber bei Verhandlungen ist es eben auch so, dass wir 100 Prozent am Ende wahrscheinlich nicht haben. Aber so viel wie möglich – das ist mein Ehrgeiz."

SPD-Vize Ralf Stegner sagte harte Koalitionsverhandlungen voraus. "Die Union wird sich bewegen müssen, sonst wird es am Ende keine Koalition geben", sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Der rheinland-pfälzische SPD-Landesvorsitzende Roger Lewentz verlangte Kompromissbereitschaft von der Union. "Da muss noch 'ne gute Schippe draufgelegt werden." (APA, Reuters, 22.1.2018)