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Vor dem Gefängnis Baumettes in Marseille brennen Autoreifen.

Foto: REUTERS/Jean-Paul Pelissier

Auf Korsika befördern Polizisten streikende Gefängniswärter vor dem Gefängnis Borgo ab, dessen Eingang sie blockiert haben.

Foto: AFP / Pascal Pochard-Casabianca

Schätzungsweise zwei Drittel der 188 französischen Gefängnisse waren am Montag bestreikt. Aufseher errichteten vor den Haftanstalten Barrikaden und zündeten Autoreifen an. Im Inneren versuchten Polizisten, die Ordnung aufrechtzuerhalten. Besuchstermine wurden abgesagt, oft auch die Spaziergänge. In Fleury-Mérogis südlich von Paris – dem größten Gefängnis Europas mit 4300 Häftlingen – weigerten sich Dutzende von Insassen, in die Zellen zurückzukehren. Sie wurden mit Tränengas dazu gezwungen.

Die Streiks und Blockaden dauern seit dem 11. Jänner an. An jenem Tag hatte ein Insasse der Hochsicherheitsanstalt Vendin-le-Vieil in Nordfrankreich drei Aufseher mit einer Schere attackiert und verletzt. Das Justizministerium verschwieg die Identität des Täters zuerst. Vertreter der größten Aufsehergewerkschaft Ufap stellten dann aber klar, es handle sich um einen ehemaligen Al-Kaida-Attentäter deutsch-polnischer Herkunft mit Namen Christian Ganczarski, dem auch in den USA den Prozess gemacht werden soll. Wegen eines Anschlags im Jahr 2002 im tunesischen Djerba verurteilt, soll er die Aufseher nun mit dem Ruf "Allahu Akbar" angegriffen haben. "Das war keine bloße Attacke, das war ein Terroranschlag", gab der Ufap-Vertreter von sich.

In mehreren Haftanstalten kam es daraufhin zu spontanen Arbeitsniederlegungen. Justizministerin Nicole Belloubet empfing in den Tagen danach eine Wärterdelegation und zeigte sich zu Lohnkonzessionen bereit. Dann verletzte aber ein als "radikalisiert" bekannter Häftling in Bordeaux gleich sieben Aufseher, sechs davon spitalsreif. Die beiden Gewerkschaften Ufap und CGT brachen die Verhandlungen mit der französischen Regierung in der Folge ab.

Spezielle Einheiten zu wenig

Sie wollen auf die zunehmende, oft geplante Gewalt islamistischer Häftlinge aufmerksam machen. Seit den Terroranschlägen von 2015 haben die französischen Behörden zwar in einigen Haftanstalten "Einheiten zur Vorbeugung der Radikalisierung" geschaffen. Das genügt aber nicht, alle 1150 wegen Radikalisierung verurteilten oder verdächtigen Häftlinge zu kontrollieren.

"Meist müssen sich gewöhnliche Aufseher mit diesen Gewalttätern abgeben", meint Guillaume Pottier, ein Ufap-Sprecher aus der Umgebung von Paris. Ende vergangenen Jahres hätten sie zwei Insassen der Anstalt Fresnes in der Pariser Banlieue erwischt, wie sie von ihrer Zelle aus einen Terroranschlag geplant hätten. Ihre Zielscheibe seien "ungläubige" Gefängniswärter gewesen.

Die zum Teil massive Überbelegung der französischen Haftanstalten fördert nach Meinung von Haftbetreuern noch die Anwerbung gewöhnlicher Krimineller durch Salafisten. Das Justizministerium hatte die Islamisten deshalb in Fresnes oder anderswo in speziellen Gebäudetrakten isoliert. 2016 wurde dieses Experiment aber wieder abgebrochen, da weder die Entradikalisierung noch die Resozialisierung Fortschritte machte.

Aufseher unbewaffnet

Dass die Regierung das eigentliche Streikmotiv der Aufseher – die Angst vor der Gewalt radikalisierter Häftlinge – überhören will, hat wohl auch damit zu tun, dass sie selbst nicht mehr weiß, wie sie mit diesen Verurteilten umgehen soll. Die Aufseher, die in Frankreich traditionell unbewaffnet sind, verlangen zumindest mehr Mittel.

Justizministerin Belloubet bot deshalb am Wochenende die Schaffung von 1100 neuen Aufseherposten an. Aber auch das ist den Wärtern zu wenig. Sie wissen, dass in Syrien und Irak zahllose inhaftierte Jihadisten auf die Auslieferung nach Frankreich warten. "Das sind wandelnde Bomben", meinte ein Aufseher vor der Anstalt Fresnes. "Wenn wir uns mit ihnen abgeben sollen, dann wollen wir auch entsprechend geschützt sein." (Stefan Brändle aus Paris, 22.1.2018)