Toni Sailer auf dem Lauberhorn, wo er 1958 die Abfahrt gewann.

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Oliver Rathkolb redet der Aufarbeitung das Wort.

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Wien – Unter dem Titel "Die Akte Toni Sailer und der gekränkte Stolz einer Skination" beschäftigte sich am Montagabend die ORF-Sendung Thema vor allem mit den zum Teil empörten Reaktionen auf die Berichterstattung einer Recherchegemeinschaft aus Dossier, Ö1 und STANDARD.

Diese hatte nach Auswertung eines Akts des Justizministeriums nachzuzeichnen versucht, wie Österreichs Jahrhundertsportler Toni Sailer auch mittels massiver Interventionen der Regierung Bruno Kreisky II vor den juristischen Folgen eines Vorfalls bewahrt worden war, der sich im März 1974 in Zakopane, Polen, ereignet hatte.

Sailer, seinerzeit Alpindirektor des Österreichischen Skiverbandes (ÖSV), war unter dem Vorwurf der "Notzucht" festgenommen und nach Zahlung einer Kaution wieder freigelassen worden. Erst rund eineinhalb Jahre später legte das Bezirksgericht Zakopane den Fall "mit Rücksicht auf Mangel an gesellschaftlichem Interesse" zu den Akten.

Sailer hat sich nie vor Gericht verantworten müssen, der dreimalige Olympiasieger hatte stets davon gesprochen, dass er in eine Falle getappt sei. Im Gegensatz zum Schriftsteller und Polen-Kenner Martin Pollack ("Der Akt Toni Sailer und die Möglichkeit einer Falle", Kommentar der anderen vom 22. Jänner) glaubt der Historiker Oliver Rathkolb nicht, dass Sailer Ziel einer Operation des polnischen Geheimdiensts gewesen sein könnte.

Der Vorstand des Instituts für Zeitgeschichte an der Universität Wien verwies im Gespräch mit der Thema-Redakteurin Katharina Krutisch auf die guten Beziehungen, die seinerzeit zwischen Polen und Österreich geherrscht hätten.

Sie seien gerade für die Beziehungen zwischen einen kommunistischen und einem nichtkommunistischen Land "sogar außergewöhnlich gut" gewesen. Rathkolb: "Von der geheimdienstlichen Logik sehe ich keinen Geheimdienstaspekt, der auf Toni Sailer zutrifft, weil er kein Geheimnisträger war."

Dass die Regierung Kreisky intervenierte, wunderte Rathkolb nicht. Die politische Brisanz – "wir müssen hier einen österreichischen Helden möglichst schnell zurückholen und vor einem Gerichtsverfahren bewahren" – sei der damaligen Regierung Kreisky auf allen Ebenen bewusst gewesen. "Dass es so schnell funktioniert hat, das hängt schon mit der Prominenz und Brisanz zusammen."

Der Aufarbeitung des Akts Sailer redete Rathkolb im Gespräch mit Thema das Wort. Für eine gut funktionierende demokratische Gesellschaft im 21. Jahrhundert gebe es keine Tabus in der Auseinandersetzung mit der Vergangenheit. "Warum soll man nur die Heldenmythen der Toten analysieren und dokumentieren?" Man müsse ein reflektiertes Bild auf die Lebenssituation dieser Helden werfen. "Ich glaube, es bleibt noch genug Positives über Toni Sailer über." (red, 22.1. 2018)