Geldscheine, Rolex, teure Autos. "Komm in die Gruppe", wirbt ein Video auf Youtube. "Auszahlung – letzte Woche", schwärmt ein Mann und hält einen Fächer aus Euronoten in die Kamera. "AMG, Brudaaa!", schreit ein anderer, während er auf das Gaspedal des gleichnamigen Mercedes-Modells tritt. "Rolex, Bargeld – das ist mein Lifestyle", so der dritte Protagonist.

Sie treten als "Markus", "Niko" und "Sascha" auf und machen Werbung für eine Whatsapp-Gruppe. Das Versprechen: Reichtum. Wer dem Ruf folgt, soll in einem halben Jahr 200.000 Euro verdienen können. Der Clip, der über das Werbeprogramm von Youtube als Vorschaltung vor anderen Videos ausgespielt wird, kam zuletzt auf zwei Millionen Aufrufe, wurde jedoch zwischenzeitlich entfernt. Eine neu hochgeladene Version kommt bereits auf gut 600.000 Views. DER STANDARD ist dem Versprechen auf den Grund gegangen.

In dem Werbespot wird ein schneller, einfacher Weg zum Wohlstand versprochen.
Vaktik

Trading-Tipps mit Empfehlungslink

"Ich schicke dir mal ein paar Infos, was wir so machen in der Gruppe", heißt es in der freundlichen Begrüßungsnachricht nach der erstmaligen Kontaktaufnahme. Markus, so der vorgegebene Name des Betreibers, handelt demnach "mit Währungspaaren". Er werde in einem "großen Trading-Netzwerk" unterstützt von "mehreren Profis", die ihn mit "Live Trends, Analysen und Signale".

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Der erste Chat mit "Markus".
Foto: Screenshot

In der Tat kommen geschätzt ein bis zwei Empfehlungen pro Tag auf Whatsapp und Telegram, bestehend aus einer Handlungsanleitung und garniert mit einem gekürzten Link. Dieser führt auf die Anmeldeseite von Portalen wie 24option und BDSwiss und beinhalten einen sogenannten Referrer. Dabei handelt es sich um einen Zusatz in der Adresse, über welche die Plattform praktisch feststellen kann, von wem ein Nutzer, der sich neu anmeldet "geworben" wurde. Alleine zwei Anmelde-Links, die zu BDSwiss führen, wurden bislang über 13.000 Mal angeklickt, wie die öffentlich einsehbare Statistik verrät.

Dementsprechend gibt sich "Markus" nicht ganz ehrlich, wenn er auf Nachfrage, erklärt, er habe "derzeit nichts davon", wenn er seine Tipps verschicke. Denn diese Portale bieten ihm als Empfehler sehr wohl eine Vergütung. Hat ein geworbener Nutzer ausreichend Geld dort umgesetzt, erhält er dafür entweder einen Fixbetrag oder eine Beteiligung an ihren Gewinnen.

Das "Komm in die Gruppe"-Video hat auch eine Parodie des Youtubers "Was ist mit Fabian" erhalten.
Was mit Fabian

Gefährliche Ratschläge

Die Risikohinweise finden sich in der Telegram-Gruppe, die schon im September 2016 gegründet wurde, aber erst seit Juli 2017 aktiv betrieben wird, ganz am Anfang. Wer sie lesen möchte, muss mittlerweile mühselig dorthin scrollen. In allen anderen Nachrichten wird regelmäßig der Eindruck erweckt, dass es extrem simpel sei, sich gegen Verluste abzusichern und sicher Gewinn zu erzielen.

Dabei werden auch Informationen überliefert, die fragwürdig bis falsch sind. Aufgrund des jüngsten "Government Shutdown" in den USA wird etwa verbreitet, die US-Regierung würde unmittelbar viele Beamte entlassen und man solle daher auf einen zum Dollar steigenden Euro setzen. Ende November empfahl man, auf den Bitcoin-Kurs zu setzen, der bald auf 100.000 Dollar anwachsen solle.

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Ende November prognostizierte man einen Anstieg des Bitcoin-Kurses auf 100.000 Dollar.
Foto: screenshot

"Das sind bessere Wettanbieter"

Mit üblichem Aktien- oder Währungshandel haben diese Plattformen allerdings nichts zu tun, erklärt Experte Bernd Lausecker vom Verein für Konsumenteninformation (VKI) gegenüber dem STANDARD. Man steckt dort kein Geld direkt in Währungen, sondern setzt auf Kurssteigerungen oder –abfälle. Geht die Prognose auf, lässt sich etwas Gewinn erzielen. Tut sie es nicht, ist der Einsatz weg. In den allermeisten Fällen ist es freilich der Anbieter dieser "binären Optionen", der das bessere Ende für sich hat. "Das sind bessere Wettanbieter", fasst Lausecker die Situation zusammen.

Das, was die Betreiber der Chatgruppen "Trading" nennen, ist somit eigentlich "hochspekulatives" Finanzglücksspiel, vor dem der VKI schon länger warnt. Kursentwicklungen sind vor allem für Laien schwer voraussagbar. Zudem kann schon eine geringe Schwankung mit etwas Pech eine Wette schlecht ausgehen lassen. Finanzbehörden beobachten die Plattformen mittlerweile mit Argwohn. Gesetzliche Regelungen fehlen bislang jedoch. Er würde niemandem empfehlen, sich auf binäre Optionen einzulassen, sagt Lausecker.

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Verteilt wurde auch eine Anleitung zur Anmeldung bei der Plattform 24option.
Foto: Screenshot

Kaum Handhabe gegen Plattformen und Betreiber

Man habe in der Vergangenheit auch schlechte Erfahrungen mit der Auszahlungspraxis gemacht. Oft werben die Anbieter mit einer Aufstockung, wenn Nutzer zum Start Kapital in einer bestimmten Höhe investieren. Eine Auszahlung des Bonusbetrags ist dann jedoch oft daran gekoppelt, ein Vielfaches davon an Gewinnen erzielen zu müssen. Vorgaben, die realistischerweise kaum zu erreichen sind.

Schwierigkeiten gibt es auch bei der Überweisung des eigenen Geldes des Spielers. Häufig dauern diese mehrere Wochen oder gar Monate. Die Plattformen selber haben ihren Sitze in Ländern wie Zypern oder Staaten außerhalb Europas, wo sie rechtlich nur schwer belangt werden können.

Bezüglich der Chatgruppen hat den VKI bis dato noch keine Anfrage erreicht. Lausecker hält es aber für schwierig, bei Verlusten einen Haftungsanspruch geltend zu machen. Es handele sich eher um "private Empfehlungen". Und selbst wenn sich ein rechtlicher Hebel finden würde, sei es kaum möglich, den Betreibern beizukommen. Denn handfeste Hinweise auf ihre Identität fehlen. Ob "Markus" auch wirklich so heißt oder die im Video abgelichtete Person ist, ist nicht herauszufinden.

Ein älteres Video, das ebenfalls als Werbung für eine dubiose Whatsapp-Gruppe diente.
Trading Quatsch

Keine neue Masche

Die "Trading"-Masche ist dabei nicht ganz neu. Derlei Gruppen selbsternannter "Trading"-Experten gab es schon in der Vergangenheit. Sie firmierten unter dem Namen wie "Daniel Jachter" oder "Kay Zaremba", deren Echtheit ebenfalls nicht verifiziert werden kann. In den von "Markus" geposteten Referral-Links finden sich allerdings Indizien dafür, dass hier die gleichen Hintermänner am Ruder sind.

Immer wieder wird in den Gruppenpostings betont, wie erfolgreich die eigenen "Trades" seien. Herangezogen werden dabei auch irreführende Ausschnitte aus Verlaufsdiagrammen, in denen ein Kurswachstum von rund 0,4 Prozent wie ein riesiger Sprung wirkt.

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Was auf den ersten Blick aussieht wie ein massiver Sprung, ist in Wahrheit ein Plus von 0,4 Prozent.
Foto: Screenshot / Bearbeitung: STANDARD

Auch Screenshots von Chatnachrichten angeblich erfolgreicher Mitglieder verschickt man per Whatsapp und Telegram. Darin ebenfalls immer wieder zu sehen: Fotos von Geld, Autos und teuren Luxusartikeln. Und auch eine Anleitung wurde veröffentlicht, in der erklärt wird, welche (Falsch-)Angaben man bei einer Plattform machen muss, um dort als Nutzer akzeptiert werden zu können.

Die Gruppe auf Telegram ist über 2.300 Mitglieder stark. Fragen oder Zweifel können aber nicht angemeldet werden, denn der Gründer hat die Einstellungen so festgelegt, dass lediglich er Nachrichten veröffentlichen kann. Wie viele Empfänger es auf Whatsapp gibt, ist nicht einsehbar. Denn die Interessenten werden über private Nachrichten mit den Anleitungen beschickt.

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Immer wieder werden Screenshots gepostet, die den Erfolg des Systems belegen sollen.
Foto: Screenshot

Hausverstand benutzen

Dass Youtube derlei Werbung zulässt, sieht Lausecker kritisch. Jedoch betont er, dass das Videoportal kaum jeden einzelnen Spot detailliert prüfen könne und eine rechtliche Einstufung hier auch schwer sei. Zudem sei Youtube auch nicht "die Aufsichtsperson der User".

"Hier sind auch Eigenverantwortung und Hausverstand gefragt", so der VKI-Fachmann. Es sei nicht schwer zu erraten, dass das Versprechen, in einem halben Jahr auf einfachem Wege reich zu werden, nicht haltbar ist. Denn: "Wenn das so einfach ginge, gäbe es nur noch Millionäre." (Georg Pichler, 28.1.2017)