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Ein etwas einfältiger Cop und eine rechtschaffene Kämpferin: Sam Rockwell und Frances McDormand sind für ihre Parts Oscar-nominiert.

Foto: AP

Wien – Oft genügt es nicht, auf den Gang der Dinge zu vertrauen. Dann muss man sein Anliegen in Erinnerung rufen, und zwar am besten so, dass es unübersehbar wird. Mit einem Bild, an dem man nicht vorbei kommt; oder gleich mit mehreren Plakaten, auf denen zum Beispiel "Raped While Dying" – "Beim Sterben vergewaltigt" – vor rotem Hintergrund steht.

Mildred Hayes (Frances McDormand) hat ihre Tochter bei einem grauenhaften Verbrechen verloren. Der Mörder läuft sieben Monate später noch immer frei herum. Mit den Plakatwänden, die sie am Ortsanfang von Ebbing, einer fiktiven Kleinstadt im Mittleren Westen, so originell bespielt, erklärt sie den Behörden nichts weniger als den Krieg.

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Three Billboards Outside Ebbing, Missouri ist so etwas wie ein zeitgenössisches "morality play", geschrieben und inszeniert vom irischen Dramatiker und Filmemacher Martin McDonagh. Die Stärken und Schwächen der einzelnen Figuren dieser hinterwäldlerischen Welt sind jedoch nicht so eindeutig verteilt, wie man zuerst meint. Mildred gleicht mit ihrem Bandana einem rechtschaffenen Samurai, der mit aus Trauer gewachsenem Zorn einen Kreuzzug beginnt. Doch niemand ist hier eindeutig schuldig. Dass der Mord bisher nicht aufgeklärt werden konnte, liegt an der handelsüblichen Mischung: dem Mangel an Mitteln und fehlendem Glück.

Konversationen wie Faustschläge

Schon in früheren Filmen wie In Bruges und Seven Psychopaths hat sich McDonagh als Freund abgründiger Komik beliebt gemacht. Seine Vorliebe für Konversationen, die wie Faustschläge ausgetragen werden, verdankt sich seiner Theaterarbeit. Treffsicher, schlagfertig, gemein – solche Attribute verleihen den zwischen Tragischem und Lächerlichem changierenden Plots auch einen vordergründigen Showeffekt. In Three Billboards Outside Ebbing, Missouri wirkt sich das allerdings etwas weniger stark aus. Die zentralen Figuren hängen unverrückbar und hilflos in ihren Miseren fest. Aufgrund der größeren Fallhöhe steigt plötzlich auch die Möglichkeit zur Empathie.

McDonagh stellt seiner trotz ihres Leids gewaltig fluchenden Heldin – Frances McDormand kann auch diesen Teil ihrer Rolle sichtlich genießen – zwei Cops gegenüber, den integren Chief Willoughby (Woody Harrelson) und seinen weniger scharfsichtigen Untergebenen Dixon (Sam Rockwell). Durch Mildreds Plakataktion geraten sie zwar in die Defensive, doch die Bevölkerung hält diesmal zu ihnen – Mildred, so der Tenor, sei einfach zu weit gegangen.

Beide Cops bleiben allerdings für Überraschungen gut, die sie aus ihren funktionalen, vom Genre zugeschriebenen Rollen herausbefördern. Vor allem mit Dixon geht McDonagh auch ein Wagnis ein, gewährt er einem rassistischen Polizisten doch die Möglichkeit zur späten Einsicht. Und Rockwell spielt diesen Tölpel, der plötzlich noch Verantwortung ergreift, so herzzerreißend, dass diese Strategie sogar aufgeht.

Umwege für komische Töne

Auch die ruhige, konzentrierte Kamera von Ben Davis betont vor allem den Stellenwert der Charaktere. Die Nahaufnahmen bezeugen noch einmal die Lust, die Regie und Drehbuch an direkten Konfrontationen zeigen, bis zu den mit komischem Nachdruck gezeichneten Nebenfiguren. Dass Mildred von einem kleinwüchsigen Autoverkäufer umworben wird und einen cholerischen Ex-Mann auf Distanz halten muss, demonstriert wiederum, mit wie vielen Ideen und Tonlagen McDonagh spielt – aber nicht jede davon lohnt sich am Ende.

Insgesamt liegt es an Mildred, das Mosaik zusammenzuhalten. Three Billboards Outside Ebbing, Missouri lässt ihr vieles durchgehen. Für die nicht ganz so originelle Einsicht, dass Rache die Sicht verstellt, bieten sich viele szenische Einfälle an. Bei einem der schönsten, eher unauffälligeren sieht man dann nur, wie ihr Chief Willoughby mit einem Brief ein Lächeln auf das Gesicht zaubert. Dabei ist sie in diesem Fall sogar das Opfer des Gags. Vielleicht will uns McDonagh einfach beweisen, dass ihm der Humor auch in düsteren Momenten nicht ausgeht. (Dominik Kamalzadeh, 23.1.2018)