Manchmal kennen Kinder und Jugendliche keinen anderen Ausweg, als sich selbst zu verletzen, um mit Druck umzugehen. Eltern stellt das vor eine schwierige Herausforderung.

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Wenn die dreijährige Tina sich darüber ärgert, dass ihr Bausteinhaus schon wieder umfällt, sie den Zippverschluss ihrer Jacke nicht zubekommt oder sie beim Einkaufen keine Schokolade bekommt, beißt sie sich öfters in ihre Hand, schlägt sich manchmal selbst auf den Kopf oder mit ihrem Kopf gegen Wand oder Boden.

Sandro, zehn, streitet mit seiner Mutter. In seiner Wut beschimpft er sie und verhält sich ihr gegenüber sehr respektlos. Daraufhin verbietet sie ihm, am Wochenende mit dem neuen Snowboard zu fahren. Plötzlich gibt sich Sandro selbst einige Ohrfeigen und schreit wütend: "Ich bin so dumm!" und rennt davon.

Mia hatte am Nachmittag einen heftigen Streit mit ihrer besten Freundin. Die Vierzehnjährige sitzt frustriert und traurig auf ihrem Bett, doch weinen oder darüber reden mag sie nicht. Damit sie ihren inneren Druck loswird, nimmt sie die Schere und beginnt sich wie schon öfter mal damit zu ritzen. Es tut zwar ein wenig weh, aber gleichzeitig beruhigt es sie.

Schmerzen als Ausweg aus der Hilflosigkeit

Immer wieder erleben Eltern und Bezugspersonen, dass ihre Kinder mit dem Kopf gegen Wand oder Boden schlagen oder sich selbst hauen. Jugendliche verletzen sich manchmal selbst, wenn Überforderung entsteht, der Druck und die damit verbundenen Gefühle überhandnehmen. Solch eine Erfahrung ist für Eltern furchtbar und erschreckend. Wenn Kinder das öfters wiederholen, dann reagieren die Eltern mit Hilflosigkeit, Angst und Schuldgefühlen. Das Verständnis für die Handlungsweisen des Kindes fehlt. Oftmals entwickeln sie dann Strategien, wie sie solche Situationen entschärfen können.

Oft ärgern sich Kinder über sich selbst, ihre Geschwister, Eltern oder Bezugspersonen und Freunde. Es ist ihre Hilflosigkeit in dieser Situation, die sie dazu bringt, ihren inneren Druck durch äußeren Schmerz abzubauen. Das hat meist nichts damit zu tun, dass sie sich absichtlich selbst verletzen wollen. Je kleiner Kinder sind, je impulsiver sie handeln, je weniger sie sich sprachlich ausdrücken können, desto eher besteht die Möglichkeit, dass es zu solch autoaggressivem Verhalten kommt. Kinder erleben Spannung und Frustration, sie wollen diese abbauen, indem sie ihrem Impuls folgen und mitunter auch autoaggressiv handeln. Jugendliche wenden vereinzelt autoaggressive Verhaltensweisen an, um unerträgliche Spannungen und Frustration loszuwerden, um sich von unliebsamen Erinnerungen abzulenken. Es scheint die bessere Alternative zu sein, körperliche Schmerzen zu fühlen, wenn der innere Schmerz unerträglich wird.

Keine Patentlösung

Aggression und auch Autoaggression sind fast immer Ausdruck von "Mir geht's grad nicht gut! Kannst du mir bitte helfen? Kannst du mich fragen, was mich so wütend macht, warum es mir nicht gutgeht?". Es ist also ein Schrei danach, wahrgenommen zu werden und dieses Durcheinander an Gefühlen mit jemand Vertrautem teilen zu können.

Was können Eltern also tun, wenn sie bemerken, dass ihr Kind sich immer wieder schlägt, sich selbst beschimpft oder selbst verletzt? Klar ist, dass es keine Patentlösungen für autoaggressives Verhalten bei Kinder und Jugendlichen gibt.

Während Kinder meist in der ersten Selbstständigkeitsphase aus einem Gefühl der Wut, der Verzweiflung und der eigenen Grenzerfahrung zu diesem Mittel greifen, ist es bei Jugendlichen meist das Gefühl, allein zu sein und nicht verstanden zu werden.

Kinder lassen sich in solchen Momenten durchaus beruhigen. So ist eine vertraute Person hilfreich, denn das Kind macht nicht die Erfahrung, mit dem Gefühl seiner Überforderung allein zu sein. Allein das Erleben, dass sie verstanden und geliebt werden, lässt Kinder und Eltern durch diese Momente miteinander besser durchkommen.

Eltern müssen dem Kind beistehen

Selbst wenn es in solchen Momenten schwerfällt, das Kind zu verstehen, ist für das Kind allein schon das Bemühen der Bezugspersonen wichtig. Oftmals kann das Erklären der Situation dem Kind helfen, diese besser zu verstehen und auch zu verstehen, dass es wichtig sein kann, sich Hilfe bei Situationen zu holen, die allein noch nicht lösbar sind. Erwachsene sind Vorbilder. Das bedeutet, dass Kinder diese beobachten und aus deren Verhalten Rückschlüsse auf das eigene Verhalten ziehen.

Jugendliche haben gerade in der Pubertät ein Bedürfnis, alles allein schaffen zu wollen und die Erwachsenen so gut es geht aus ihrem Leben herauszuhalten. Auch weil es manchmal das Gefühl des permanenten Nichtverstandenwerdens gibt. Trotzdem ist es gerade in dieser Zeit wichtig, dass Eltern und Bezugspersonen sich für ihren Nachwuchs interessieren und diesem vermitteln, dass es auch als Jugendlicher gut und wichtig sein kann, sich Unterstützung zu suchen, wenn das alles nicht allein bewältigbar ist.

Ihre Erfahrung?

In welchen Situationen erleben Sie Überforderungen bei Ihrem Kind? Welche Strategien haben Sie für den Umgang mit besonders herausfordernden Situationen in Ihrem Alltag? In welchen Situationen hat Ihr Kind schon mal autoaggressives Verhalten gezeigt, und wie sind Sie damit umgegangen? Posten Sie Ihre Erfahrungen, Fragen und Ideen im Forum! (Andrea Leidlmayr, Christine Strableg, 26.1.2018)