Es braucht sich niemand zu wundern. Auch Sebastian Kurz nicht, der diese FPÖ in die Regierung geholt hat. Die FPÖ war immer eine Partei, die von rechtsextremen Umtrieben durchsetzt war; in der deutschnationale Burschenschafter, bei denen antisemitische Tendenzen vorherrschen, das Sagen haben; in der sich Funktionäre nicht vom nationalsozialistischen Gedankengut distanzieren können und wollen. Es gibt zahlreiche Beispiele von Freiheitlichen, die mit der Verherrlichung oder Verniedlichung des NS-Regimes kokettieren, das offen aussprechen oder auch nur verstohlen andeuten.

Die Liste der "Einzelfälle", als die die Spitze der FPÖ die Entgleisungen ihrer Funktionäre und Mitglieder regelmäßig abzutun versucht, ist lang. Und sie wird nahezu täglich länger.

Jetzt wurde dank einer Recherche des Falter ein neuer Einzelfall bekannt, diesmal betrifft es Udo Landbauer, den Spitzenkandidaten der Freiheitlichen bei der niederösterreichischen Landtagswahl. In dessen Burschenschaft Germania zu Wiener Neustadt, in der er bis Dienstag Mitglied und stellvertretender Vorsitzender war, werden auf der Bude offenbar Lieder gesungen, die schwer rassistisch und antisemitisch sind, in denen die Opfer des Holocaust verhöhnt werden und die Waffen-SS verherrlicht wird. Der Inhalt dieser Lieder ist absolut abscheulich und menschenverachtend, man fasst es kaum. Höchstwahrscheinlich stellt das auch einen Verstoß gegen das NS-Verbotsgesetz dar, die Staatsanwaltschaft ermittelt.

Die Rechtfertigung ist so dümmlich wie widerlich: Es handle sich um Heimat- und Soldatenlieder. Landbauer will vom Antisemitismus und der NS-Nostalgie in seiner Verbindung nichts gewusst haben. In seinem Liederbuch seien Seiten herausgerissen oder Passagen geschwärzt gewesen. Das ist nicht in Ansätzen glaubwürdig. Es ist gut nachvollziehbar, dass der Germania ihr Liedgut durchaus bewusst war. Landbauer entschuldigt sich damit, er habe "niemals verwerfliche Lieder gesungen". Im Übrigen lasse er sich von der "linken Meinungsdiktatur" nicht vorgeben, was man sagen dürfe. Dieser Mann hat in der Politik nichts zu suchen.

Die Politik ist empört, auch Sebastian Kurz ist nahezu entsetzt. Die Liedtexte seien "absolut widerwärtig", dafür dürfe es in Österreich keinen Platz geben. Diesen Platz gibt es offenbar aber bei seinem Koalitionspartner in der Regierung. Dass die Israelitische Kultusgemeinde an dieser Regierung nicht anstreifen will und deren Gedenkveranstaltungen boykottiert, ist gut nachvollziehbar.

Auch die FPÖ ist empört – allerdings nur über den Zeitpunkt der Veröffentlichung. Tatsächlich ist das Bekanntwerden dieser Nazi-Affäre wenige Tage vor der Landtagswahl in Niederösterreich eine politische Bombe. Schuld sind aus Sicht der FPÖ nicht die Verursacher, sondern die Medien. An Konsequenzen für Landbauer war vorläufig noch nicht gedacht.

Wenn FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache ernst genommen werden und nicht auch die gesamte Regierung desavouieren will, muss er durchgreifen und diese ewiggestrigen Extremisten aus der Partei entfernen, so gut es geht. Wenn er das selbst nicht in Angriff nehmen will, muss Kurz das von ihm einfordern. Der sogenannte Narrensaum, wie die FPÖ den sie umgebenden und durchziehenden rechtsextremen Pöbel verniedlichend bezeichnet, hängt wie ein schwerer brauner Schleier über der Regierung. (Michael Völker, 24.1.2018)