Bilder aus der Luft machen das Ausmaß des Unglücks deutlich.

Foto: APA/AFP/Vigili del Fuoco/HO

Mailand – Bei der Entgleisung eines Pendlerzugs vor den Toren Mailands sind am Donnerstag drei Menschen ums Leben gekommen. Laut einer vorläufigen Bilanz der Rettungskräfte befanden sich sechs Personen in Lebensgefahr, zudem seien etwa 100 Menschen verletzt worden. Zunächst hatten italienische Medien von vier Todesopfern berichtet. Bei den Toten handelt es sich um drei Frauen.

Der Zug der lombardischen Bahngesellschaft Trenord entgleiste bei der Ortschaft Pioltello östlich von Mailand. Der Zug mit 350 Personen an Bord, vor allem Studenten und Pendler, war um 5.30 Uhr in Cremona abgefahren, das Unglück ereignete sich kurz vor 7 Uhr. Im dritten Waggon wurde die höchste Anzahl an Verletzten gemeldet. Zwei Waggons waren in einem 90-Grad-Winkel ineinander verkeilt. Stunden nach dem Unglück suchten Rettungskräfte die Waggons weiter nach möglicherweise eingeschlossenen Passagieren ab.

Kollision mit Strommast

Bei einem der Waggons waren einige Räder etwa zwei Kilometer lang nicht auf den Schienen, hieß es von der für die Bahninfrastruktur zuständigen Gesellschaft Rete Ferroviaria Italiana (RFI). Einer der drei betroffenen Waggons kollidierte dann mit einem Strommast, woraufhin der Zug entgleist sei.

RFI-Sprecher Vincenzo Macello sprach von einem "Strukturversagen des Bahngleises". Die Ermittler befragten den Lokführer. "Er hat uns wichtige Informationen geliefert, doch bis jetzt können wir noch keine klaren Angaben über die Ursachen des Unfalls geben", sagte die Mailänder Staatsanwältin Tiziana Siciliano. Laut Zeugenaussagen hatte der Zug zunächst heftig gewackelt, als ob er über Geröll fahre. Nach einer heftigen Bremsung sei er dann entgleist.

Plötzliches Zittern

"Plötzlich hat der Zug zu zittern begonnen. Wir haben einen Lärm gehört, und die Waggons sind entgleist", berichtete ein Passagier. Feuerwehrmannschaften arbeiteten stundenlang, um Fahrgäste aus den Trümmern zu befreien. Das Unglück ereignete sich auf einer der meistbefahrenen Strecken des lombardischen Bahnnetzes, auf der 500 Züge am Tag rollen. Laut dem Umweltschutzverband Legambiente ist die Strecke Cremona–Mailand als eine der schlechtesten regionalen Bahnlinien Italiens bekannt. "10.000 Pendler fahren täglich in langsamen und überfüllten Zügen, die durchschnittlich 17 Jahre alt sind", kritisierte Legambiente.

Das Bahnunglück entfachte heftige Diskussionen über die Sicherheit von Italiens regionalem Bahnverkehr, der in den vergangenen Jahren aus Spargründung einer starken Kostenrationalisierung unterzogen wurde. "Wir müssen unsere Anstrengungen für mehr Verkehrssicherheit verstärken", schrieb der Mailänder Bürgermeister Giuseppe Sala auf Facebook. "Schluss mit den Träumen von großer Infrastruktur wie der Hängebrücke über die Meerenge zwischen Sizilien und dem Festland. Wir müssen an die Infrastruktur denken, die die Menschen täglich für ihre Arbeit nützen."

Mailänder Bürgermeister fordert Sonderplan

Der Bahnverkehr sei die Gegenwart und die Zukunft des Landes und müsse gestärkt werden, schrieb Sala. Er forderte einen Sonderplan der Regierung zur Stärkung der Bahninfrastruktur.

Premier Paolo Gentiloni versprach empfindliche Strafen, sollte es Verantwortliche für das Unglück geben. Die Verkehrssicherheit müsse eine Priorität sein. Ex-Premier Silvio Berlusconi betonte, dass Italien stärker in Infrastruktur investieren müsse. Die Kluft gegenüber Ländern wie Spanien und Frankreich sei groß. "Man muss verhindern, dass sich solche Unfälle wieder ereignen", so Berlusconi.

Es handelt sich um das schwerste Zugunglück in Italien seit Juli 2016. Damals waren bei dem Zusammenstoß zweier Passagierzüge in der süditalienischen Region Apulien 23 Menschen ums Leben gekommen. Auch damals handelte es sich um zwei Regionalzüge. (APA, red, 25.1.2018)