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Eine Hellfire-Rakete auf einer Predator-Drohne.

Foto: AP/Damian Dovarganes

Ein unbemanntes Luftfahrzeug fliegt über ein zugewiesenes Gebiet. Es spioniert, beobachtet und wenn die Anweisung dafür gegeben wird, tötet es auch. Einsatzgebiet der Drohne und Standort des Piloten unterscheiden sich zumeist massiv.

Drohnenkriegsführung ist keine Neuheit. In den Vereinigten Staaten war es ursprünglich bereits der damalige Präsident George W. Bush, der die Nutzung von Unmanned Aerial Vehicles (UAVs) zum Töten einführte, als er den "war on terror" startete. "Obama war es dann, der das Drohnenprogramm ausweitete. Er entschied, dass lethale Drohnen auch außerhalb von Kriegsgebieten, überall, wo sich potentielle Terroristen aufhalten könnten, genutzt werden", sagt die Wissenschafterin Laurie Calhoun, welche das Buch "We Kill Because We Can" über Drohnenkrieg geschrieben hat, im STANDARD-Interview. "Er hat das ‚gezielte Töten‘ normalisiert."

Vorbeugendes Töten

Calhoun spielt unter anderem auf die sogenannten "signature strikes" an, gezielte Angriffe, bei denen die Drohnen genutzt werden, um verdächtige Personen umzubringen, deren Verhalten jenem von Terroristen ähnele. In den meisten Fällen ist dies nicht definitiv nachgewiesen, die Angriffe sind eher vorbeugend. Meistens funktioniere dies durch "racial profiling", erzählt Calhoun – die Verdächtigen seien zumeist männlich, braunhäutig, im Militäralter und würden in Gebieten leben, bei denen angenommen wird, dass es Verbindungen zu Terroristengruppen wie dem IS oder Al-Qaida gibt. "Die Angriffe widersprechen dem Genfer Abkommen. Die Personen haben nicht die Möglichkeit, ihre Waffen niederzulegen – die meisten sind nicht einmal bewaffnet – oder sich überhaupt zu ergeben", so Calhoun. Eine Reportage der "Washington Post" zeigte auf, dass oft ein kleines Team einschätzt, wie gefährlich die beobachteten Personen sind. Um Zivilisten zu schützen, würde etwa die Anzahl an Männer, Frauen und Kindern abgezählt.

In späteren Berichten würden die getöteten Personen als eliminierte Terroristen abgeschrieben werden. "Das Problem ist, dass sie alle bloß Verdächtige sind. Der Großteil der Guantánamo Bay-Inhaftierten hat sich als unschuldig erwiesen – wenn man mit Drohnen tötet, gibt es nicht einmal einen Prozess." Ein gutes Beispiel sei der Britisch-Saudi-Staatsbürger Shaker Amer, welcher 2001 festgenommen und erst 2015 wieder freigelassen wurde. "Hätte man ihn zehn Jahre später als Verdächtigen identifiziert, würde er heute vermutlich tot sein und als eliminierter Terrorist gelten", sagt Calhoun.

Umgang der Piloten

Ein weitreichendes Argument ist, dass Drohnenpiloten aufgrund der Distanz und der simuliert wirkenden Umgebung desensibilisiert sind. Die Beendigung eines menschlichen Lebens sei nicht fassbar, weswegen es, ähnlich eines Videospiels, nicht als solches erkannt wird. Überhaupt seien Videospieler beliebte Kandidaten für den Job, wie die 2014er Dokumentation "Drone" aufzeigt. Grund dafür sei laut Studien ein erhöhter Fokus auf mehrere Details zugleich. "Der andere Standpunkt ist aber, dass Drohnenpiloten den Tod anderer sogar mehr mitbekommen als reguläre Soldaten", erzählt Calhoun. Drohnenpiloten müssten zusehen, wie ihre Feinde verbluten, um ihren Tod bestätigen zu können.

2017, mit Donald Trump an der Spitze der US-Amerikanischen Regierung, sollen sich die Drohnenangriffe in Ländern wie Afghanistan, Somalia und Yemen stark erhöht haben, wie der Bureau of Investigative Journalism vermeldete. Obama hatte, wie der Guardian berichtete, 2013 die Vorgaben, die eine "gezielte Tötung" durch UAVs erlauben würden, stark gelockert – Trump würde dies nun intensiv nutzen.

"Smart War" und Zukunft

Die Drohne wird gerne als das Mittel für den "Smart War" angepriesen, wie Calhoun erzählt. "Es werden keine Soldaten von der eigenen Reihe umgebracht und die Feinde trotzdem effektiv eliminiert." Ein Grund für diesen Gedanken sei, dass die Politik es in den vergangenen Jahren so dargestellt habe.

Zusätzlich stünde nun auch noch eine boomende Industrie dahinter – die Technologie hat sich ausgebreitet und hat einerseits den Konsumentenmarkt, andererseits Bereiche wie Agrikultur, Infrastruktur, Medien und Telekommunikation erreicht. Künstliche Intelligenz und Gesichtserkennung könnten wohl den nächsten Schritt in der UAV-Entwicklung darstellen.

Die US-Regierung hat bereits unter Obama begonnen, lethale Drohnen an Verbündete zu verkaufen. Auch China ist im vergangenen Jahr eingestiegen. Immer mehr Länder kämen in den Besitz von lethalen Drohnen. Das sieht Calhoun problematisch, weil es nur eine Frage der Zeit sei, bis ein nicht-demokratisches Land beginnen würde, die Technologie zu nutzen. "Das große Problem der Zukunft wird wohl sein, dass jeder, der eine bestimmte Regierung ablehnt, einfach umgebracht und dann als Terrorist denunziert werden kann." (muz, 19.5.2018)