Monster Hunter World
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Japan ist speziell. Dass der Inselstaat im Fernen Osten nicht ein Land wie viele andere ist, zeigt sich in zahllosen Details – auch in der Videospielkultur, der das Land in vielerlei Hinsicht seinen Stempel aufgedrückt hat. "Super Mario", "Metal Gear Solid" und "Zelda" sind seit Jahrzehnten globale Bestseller, das heißt aber nicht, dass alle dortigen Spieletrends den Sprung in den Rest der Welt geschafft haben. Die "Monster Hunter"-Spieleserie ist so ein Fall: Über 40 Millionen Exemplare gingen seit dem Start der Actionrollenspielserie 2004 über den Ladentisch, über ein Dutzend Einträge hat die Serie bislang. "Monster Hunter" ist ein Hit – allerdings einer, der seine Fanbasis bislang in überwältigendem Ausmaß in Japan selbst hatte.

Mit dem soeben erschienenen "Monster Hunter World" (PS4, Xbox One, ab 67,99 Euro) versucht Capcom, auch dem Rest der Welt die Reihe näherzubringen; zum ersten Mal seit längerer Zeit wieder auf stationären statt ausschließlich tragbaren Konsolen. Die Eroberung des westlichen und letztlich globalen Marktes ist das ausgesprochene Ziel des soeben erschienenen letzten Ablegers der Reihe. Während sich die – verhältnismäßig wenigen – nicht-japanischen Fans der Franchise sofort auf die Jagd machen werden, steht dem Großteil der neugierigen Spielerschaft eine Begegnung mit einer ganz neuen Welt bevor, die in vielerlei Hinsicht ihre fernöstlichen Wurzeln nicht verleugnen kann.

Trailer zu "Monster Hunter World".
PlayStation Europe

Als Monsterjäger unterwegs

Schauplatz von "Monster Hunter World" ist eine riesige, mehr oder weniger offene Spielewelt, die aus zum Teil extrem unterschiedlichen Wildnislandschaften besteht. Ausgehend von einer zentralen Basis und kleinen, teilweise erst ihrer Errichtung harrenden Basiscamps begibt man sich allein oder mit menschlichen Mitspielerinnen und Mitspielern in Aufträgen oder freien Erkundungsmissionen auf die Jagd nach den spektakulären Monstern dieser Fantasy-Welt. Dabei geht es nicht ausschließlich ums actionreiche Erlegen der zum Teil gigantisch großen Monster, sondern auch um andere Aspekte der Jagd: Aufwendige Spurensuche in den riesigen Gebieten gehört ebenso zum Alltag wie das Legen von Fallen, das getarnte Belauern der Beute oder das Einfangen lebender Exemplare.

Der optisch detailliert frei gestaltbare Spielcharakter lässt sich dabei höchst unterschiedlich für die Jagd ausrüsten; ein rollenspieltypisches klassisches Fähigkeitensystem gibt es dabei nicht, stattdessen erfolgt die Spezialisierung und Weiterentwicklung durch den Ausbau der Ausrüstung und der damit verbundenen Fähigkeiten. Die von Beginn an verfügbaren 14 sehr unterschiedlichen Waffentypen laden zum Experimentieren ein: Ob man mit behäbigen Fernwaffen, flinken Dolchen oder – klassisch japanisch überdimensionierten – riesigen Schlachtprügeln auf die Jagd geht, bleibt Sache des eigenen Geschmacks und spielerischen Erfahrung.

Abenteuerspielplatz mit Dinosauriern

Der Verlauf der Kampagnenstory führt Schritt für Schritt zur Erforschung der wirklich groß geratenen Spielwelt, die immer wieder mit neuen, spektakulären Umgebungen und nicht zuletzt Monstertypen überrascht. In den Storymissionen unterbrechen hin und wieder plötzliche Ereignisse einfach scheinende Aufträge – ein erzählerisch besonders ambitioniertes Spielerlebnis, in dem sogar eigene, erzählerisch relevante Entscheidungen getroffen werden können, braucht man sich allerdings nicht zu erwarten. Stattdessen bietet "Monster Hunter World" einen riesigen Abenteuerspielplatz, den man wieder und wieder, mit unterschiedlichen Missions- und Jagdzielen, besucht.

Dass die Trips in diese Wälder, Wüsten und Dschungel, die jeweils eigene Ökosysteme simulieren, dennoch nicht langweilig werden, ist deren Lebendigkeit zu verdanken: Wohl werden die einzelnen Biome jeweils nur von einer Handvoll unterschiedlicher großer Monster bevölkert, doch die verhalten sich zum Teil höchst autark. Immer wieder wird man Zeuge epischer Kämpfe zwischen großen Raubtieren, zum Teil direkt während man sie selbst verfolgt. Neben den spektakulären Riesen finden sich stets auch friedliebende Pflanzenfresser, kleiner Tiere und sogar Insekten in dieser Welt; vereinzelte NPCs und hilfreiche kleine Waldbewohner machen die Wildnis zu Orten mit vielen Überraschungen. Um in den verwirrend verwinkelten Umgebungen keine Orientierungsschwierigkeiten aufkommen zu lassen, weist eine Art lebendes Navigationssystem aus leuchtenden Insekten den Weg zum Missionsziel oder zur nächsten Beute – wenn genug von deren Spuren gesammelt wurden.

Jäger – und Sammler

Dass dieses "Insekten-GPS" förmlich an jeder Ecke etwas Bemerkenswertes beleuchtet, ist einem der zentralsten Spielmechanismen zu verdanken. In "Monster Hunter World" ist man nicht nur auf der Jagd nach riesigen Tieren, sondern auch mindestens so viel als Sammler unterwegs. Unzählige Blumen, Pflanzen, Pilze, Erze und andere Rohstoffe wollen ebenso mitgenommen werden wie Materialien, die sich nur aus den Körpern toter Beutetiere gewinnen lassen. Die Ausflüge in den Wald dienen immer auch der Beschaffung von Material, das anschließend direkt in die Verbesserung von Ausrüstung, Waffen und Rüstungen investiert wird – das ist eigentlich der zentrale Gameplay-Loop des Spiels.

Das Sammeln, Grinden und Craften nimmt somit einen deutlich höheren Anteil am Spiel ein als die Absolvierung der story-relevanten Kampagnenmissionen, die man überdies oft nur mit bestens ausgestattetem Helden erfolgreich absolvieren kann. Nebenquests, Sammelmissionen, "Kopfgeld"-Aufträge, "wissenschaftliche" Forschungsmissionen und kleinere Aufgaben motivieren dazu, sich wieder und wieder auch in bereits story-mäßig abgeschlossene Bereiche des Spiels zu begeben. Das macht mal mehr, mal weniger Spaß; wer wiederholt am extragroßen Monster der aktuellen Kampagnenmission scheitert, muss wohl oder übel zurück in bereits bekannte Gebiete, um dort Rohstoffe für neue Waffen, nötige Upgrades oder Crafting-Gegenstände zu sammeln. Zum Glück lassen sich wenigstens die Materialien, die in Verbesserungen der aktuell verwendeten Waffe investiert wurden, wiedergewinnen; das Experimentieren mit den wie erwähnt äußerst unterschiedlichen Jagdwerkzeugen wird so zumindest nicht zusätzlich bestraft.

Jagdlust – und -frust

Am beeindruckendsten und spannendsten ist "Monster Hunter World" in den Momenten der Jagd: Wenn man die Spuren seiner Beute minutenlang durch die Wildnis verfolgt hat und das mythische, oft spektakulär gestaltete Monster zum ersten Mal zu Gesicht bekommt, entfaltet sich "Monster Hunter World" zum atmosphärischen Riesenspiel. Die Kämpfe mit den gewaltigen Ungetümen dauern nicht selten bis zu einer Viertelstunde, in denen nicht nur Geschick, sondern durchaus auch viel Taktik gefragt ist – besonders die gefährlichsten Biester lassen sich durch stumpfe Frontalangriffe nicht ohne Weiteres erlegen. Der geschickte Einsatz der Umgebung, von Fallen oder mit Bedacht ausgewählten Fähigkeiten ist ebenso essentiell wie direktes Kampfgeschick. Im Handgemenge mit den oft gewaltigen Monstern raubt leider manchmal die Kamera den Blick aufs Spielgeschehen – ein Bildschirmtod ist dann auch deshalb besonders ärgerlich, weil das jeweilige Ungeheuer erst mühsam wieder gesucht und verfolgt werden muss, bevor der Kampf weitergehen kann.

Diesen spannenden Momenten der Großwildjagd steht allerdings der zweite große Teil des Spielgeschehens gegenüber: Für die Verwaltung von Ausrüstung, Waffen, Missionen und Fähigkeiten im zentralen Lager läuft man endlose Spielkilometer zwischen diversen Quest-Gebern, Shops, der Schmiede und der Kantine hin und her. "Monster Hunter World" belästigt eher ungeduldige Spielernaturen mit zahllosen, nicht überspringbaren Mini-Cutscenes, die spätestens beim dritten Mal Essenkaufen in der Kantine drastisch an Charme verlieren; auch Kleinigkeiten wie die, dass der Zugang zu Basics wie Schmiede- oder Item-Menü erst nach drei kaum variierten Konversations-Prompts freigegeben wird, nagen schon bald an den Nerven. Das Feilen an Waffen und Ausrüstung ist ein ganz zentrales Element des Spiels; die Gestaltung der dafür zuständigen Menüs ist allerdings recht umständlich und verwirrend geraten – und wird auch, abseits dürrer Tutorial-Textboxen, nicht wirklich gut erklärt.

Gemeinsam im Dschungel

"Monster Hunter"-Veteranen verweisen angesichts dieser Kritik gern darauf, dass just diese Komplexität der Serie weit über ihr Action-Gameplay hinaus strategische Tiefe ermöglicht, doch die angepeilte neue Zugänglichkeit lässt sich in deren für Anfänger verwirrender Präsentation nur schwer erkennen. "Monster Hunter World" ist ein komplexes Spiel, das eben auf beiden Standbeinen – actionreiche, aber auch taktische Jagd und kleinteilige, komplexe Verwaltung – ruht. Dass sich wegen der zu erwartenden Anfangsschwierigkeiten inzwischen bereits Initiativen wie "Adopt A Hunter" formieren, bei denen erfahrene "Monster Hunter"-Veteranen Neuankömmlinge unter ihre Fittiche nehmen und die Feinheiten erklären sollen, ist eine durchaus sympathische Reaktion der Community und lässt darauf hoffen, dass die von Capcom in anderen Bereichen, etwa der Steuerung, niedriger gelegten Einstiegshürden auch neue Spielerinnen und Spieler in ihre Bann ziehen können.

Denn gemeinsam geht einiges einfacher: Auch wenn sich "Monster Hunter World" auch als Single-Player-Spiel spielen lässt, ist die ins Spiel fix integrierte und differenzierte Multiplayerkomponente dennoch zentral. Gemeinsam lassen sich gefährliche Monster durch geplante Arbeitsteilung eleganter erledigen, und "World" verbindet zum ersten Mal in der Serie seine Single- und Multiplayer-Elemente zu einem Ganzen. Auch hier gilt es kleinere, unverständliche Interface-Hürden zu überwinden, bevor man gemeinsam losziehen darf, doch hat man es einmal geschafft, bietet die gemeinsame Jagd die befriedigendsten Momente eines großen, komplexen Spiels. Sie bleibt aber letztlich optional: Auch Einzelspieler kommen absolut auf ihre Kosten.

Unser "WIRSPIELEN" zu "Monster Hunter World".
WIRSPIELEN

Fazit

"Monster Hunter World" versucht eine Gratwanderung: ganz neue Spieler zu gewinnen und zugleich eine riesige, etablierte Fanbasis nicht durch allzu große Vereinfachungen vor den Kopf zu stoßen. Serienveteranen haben wenig Grund zu klagen: "Monster Hunter World" schafft es, das komplexe Grundkonzept der Serie in Hochglanz auf neue Beine zu stellen – und die im Vorfeld befürchteten, letztlich aber sinnvollen Simplifizierungen lassen das bekannte Spielprinzip mit seiner riesigen Komplexität absolut intakt. Für Einsteiger sieht das Fazit etwas differenzierter aus: Wer sich in diese Spielewelt stürzen will, muss sowohl für Einarbeitung als auch das Spielkonzept selbst mehr Geduld mitnehmen, als das actionreiche Gameplay auf den ersten Blick vermuten ließe.

Zum Glück ist der Lohn für die verlangte Lebenszeitinvestition auch dementsprechend üppig ausgefallen: Wer sich in die Welt von "Monster Hunter World" vertieft und bei dem ein oder anderen kleinen Zeitfresserärgernis ein Auge zudrücken kann, bekommt einen faszinierenden, lebendigen Spielplatz, der für ziemlich lange Zeit motiviert und eine Vielzahl an spielerischen Optionen bereithält, die für große Abwechslung sorgen. Angesichts der bildhübschen Welt und ihrer faszinierenden Bewohner vergisst man sogar hin und wieder darauf, dass man oft genug eigentlich "nur" zum Grinden und Farmen in diese Wildnis aufbrechen muss.

"Monster Hunter World" ist eben sein ganz eigenes Biest. Man darf davon ausgehen, dass sich – trotz der erwähnten Eigenheiten – die Faszination dieser Serie mit diesem gelungenen Neubeginn nun auch dem Rest der Welt erschließt. Auf zur Jagd! (Rainer Sigl, 26.1.2018)