HÄUPLS AUFSTIEG

Michael Häupl steht seit 23. April 1993, also seit mittlerweile fast 25 Jahren, der mächtigsten SPÖ-Landesorganisation vor. Am Samstag wird sein Nachfolger als Wiener SPÖ-Chef gewählt. Häupl musste sich – anders als Michael Ludwig und Andreas Schieder – keiner Kampfabstimmung vor Delegierten stellen. Häupls Kür gingen aber ebenfalls interne Machtkämpfe und Intrigen in der damals in Wien allein regierenden Sozialdemokratie voraus.

Hans Mayr, damals mächtiger Wiener SPÖ-Chef, Vizebürgermeister und Finanzstadtrat, sprach erstmals im August 1992 von einer "Generationsablöse" im Rathaus. Er und Bürgermeister Helmut Zilk sollten demnach nach einer geordneten Übergabe innerhalb von zwei Jahren das Feld räumen. Das Amt des Parteichefs war damals bei den Roten noch strikt von dem des Stadtchefs getrennt: Bürgermeister Zilk meinte in der ORF-Pressestunde im Juni 1992, dass diese bewährte Trennung auch beibehalten werden solle. Doch es kam alles anders.

Helmut Zilk, von 1984 bis 1994 Stadtchef, war ein Förderer seines Nachfolgers Michael Häupl. Zilk verstarb 2008.
Foto: APA / Kelly Schoebitz

Sport- und Umweltstadtrat Häupl

Für die Mayr-Nachfolge brachte sich Michael Häupl, seit 1988 Stadtrat für Umwelt und Sport, früh ins Spiel. Er hätte "nie dementiert, dass der Wiener Parteivorsitz eine Funktion ist, die mir Spaß machen könnte", sagte Häupl verklausuliert, aber doch verständlich knapp vor Weihnachten 1992.

Nachfolgedebatte voll entbrannt

Nach den Feiertagen ist die Nachfolgedebatte, die zuvor zwischen Bezirksfraktionen und Vorstand diskret geführt wurde, voll entbrannt: Der damalige Verkehrsminister Viktor Klima wurde von einflussreichen Parteigranden ins Gerede gebracht. Dabei blieb es. Häupl sagte über ihn: "Wenn schon Klima bei uns als Quereinsteiger gilt, bin ich auch einer."

Knapp vor der entscheidenden Sitzung des Wiener Ausschusses im Februar 1993 meldeten neben Häupl auch Personalstadtrat Johann Hatzl sowie Last-Minute-Überraschungskandidat Franz Löschnak, damals Innenminister, ihr Interesse am Amt des Wiener SPÖ-Chefs an. Mit Löschnak wollte die Bundespartei ihren Einfluss in Wien vergrößern.

Am 17. Februar sprachen sich die Parteigremien intern aber einstimmig für Häupl aus, berichtete danach Mayr, der sich mit seinem Nachfolgevorschlag durchgesetzt hatte. Das Wahlkomitee müsse nun noch einmal durch die Bezirke touren, um die "Basis" ebenfalls von der Häupl-Kür zu überzeugen. Eine drohende Kampfabstimmung war somit vom Tisch, Häupl war beim Landesparteitag der einzige Kandidat.

Michael Häupl am 18. Februar 1993 – nur wenige Stunden, nachdem sich die Parteigremien der Wiener SPÖ in internen Diskussionen auf ihn als neuen Parteichef verständigt hatten..
Foto: Matthias Cremer#

Dass Häupl neben der Funktion als Parteichef auch Bürgermeister werden wolle, wies er am 18. Februar 1993 noch entschieden zurück: Er strebe das Amt nicht an. "Ich bin für die Funktionstrennung", sagte Häupl damals dem STANDARD.

Die Titelseite des STANDARD vom 19. Februar 1993.
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Häupl-Mentor Zilk setzt sich durch

Da setzte sich aber sein Förderer Helmut Zilk durch, der Häupl schon im Juni 1992 erstmals als möglichen Kronprinzen ins Spiel gebracht hatte. Ein Häupl-Konkurrent wurde nicht aufgebaut, obwohl Hatzl Innenminister Löschnak als "akzeptablen und herzeigbaren" Bürgermeisterkandidaten bezeichnete.

Die Übergabe von Zilk an Häupl sollte aber erst am 7. November 1994 vollzogen werden – eineinhalb Jahre nach Häupls Kür zum Wiener SPÖ-Chef. Diese Hängepartie kreidete Häupl seinem Mentor auch an. Er werde seinen Nachfolger nicht so lange warten lassen, sagte Häupl. Als Übergabetermin des Bürgermeisteramts wird Ende Mai kolportiert.

Die beiden Kandidaten
Grafik: APA

HÄUPLS ABGANG

Man wolle "eine Kerze anzünden", wenn die Chefsuche der Wiener SPÖ endlich vorbei sei, egal wie sie ausgehe, heißt es mittlerweile vonseiten der roten Basis. Es ist ein Sinnbild dafür, wie lange der interne Wahlkampf schon andauert. Zwar hatten sich der geschäftsführende Klubchef im Parlament, Andreas Schieder, und Wohnbaustadtrat Michael Ludwig erst im November offiziell um den Parteivorsitz beworben, der Streit um die Nachfolge von Bürgermeister Michael Häupl läuft jedoch schon über ein Jahr.

Bereits im November 2016 forderte Ex-Parteimanager und Gemeinderat Christian Deutsch eine Nachfolgeregelung für Häupl ein. 22 Jahre seien genug. "Der Letzte, der so lange im Amt war, war vor 200 Jahren in Wien Bürgermeister", sagte er und brachte damals die Debatte ins Laufen. Nachgesagt wurde den Kritikern, es sei die Revanche für das Ausbuhen beim traditionellen Maiaufmarsch und das anschließende Abmontieren des ehemaligen SPÖ-Chefs Werner Faymann.

Häupl: Rücktritt kein Thema

Häupls Replik: "Ich werde darüber entscheiden, wann ich es für richtig halte." Es sei kein Thema. Unterstützung bekam Häupl damals von Schieder, der über seine eigenen Ambitionen sagte: "Ich bin gewählt als Klubobmann. Ich habe eine Aufgabe im Parlament." Häupl sitze auf dem "Kutschbock" und habe "die Zügel fest im Griff".

Doch schon Anfang 2017 häuften sich die Kritikpunkte. Und damit auch jene Stimmen, die öffentlich erklärten, Ludwig sei ein "geeigneter Kandidat" oder, wie die damalige Nationalratspräsidentin Doris Bures es nannte, eine "hervorragende Nachbesetzung". Ludwig wiederum betonte, er sei "gerne Wohnbaustadtrat".

Doch noch im April des vergangenen Jahres erklärte Häupl, er würde "zeitnah" zu den Nationalratswahlen den Vorsitz abgeben. Die Vermutung lag nahe, er wolle durch sein eigenes Vorpreschen eine Kampfabstimmung gegen ihn am Landesparteitag vermeiden. Häupl wurde als einziger Kandidat im April 2017 mit nur 77,4 Prozent als Parteichef bestätigt. Ludwig als einer seiner fünf Stellvertreter erhielt sogar nur 67,8 Prozent. Von da an war das Ringen um die Nachfolge des Bürgermeisters eröffnet.

Kaum Unterschiede der Flügel

Michael Ludwig und Andreas Schieder kämpfen um den Job als SPÖ-Chef und den Posten als erster Mann im Rathaus.
Foto: APA / Fohringer

Antreten werden am Samstag Schieder für den sogenannten "linken" und Ludwig für den "rechten" Flügel der Partei. Dabei schafften es die beiden Konkurrenten in den vergangenen Monaten selbst nicht, herauszukristallisieren, worin sie sich genau unterscheiden. In puncto Mindestsicherung wollen beide eine härtere Gangart, eine Koalition mit der FPÖ können sie sich nicht vorstellen, und den Koalitionspakt mit den Grünen will man nicht nachverhandeln. Zudem rechnen beide damit, die Mehrheit der 981 Delegierten zu überzeugen.

Michael Ludwig wendet sich in einem Video an die Wiener und an die Delegierten des Landesparteitags.

Auch Häupl findet kaum Differenzen. Schieder und Ludwig seien "die besten Kandidaten" für den Job, würden sich lediglich in der Gangart und dem Temperament unterscheiden. Letzteres wird jedoch von der Parteibasis immer wieder ins Spiel gebracht. Schieder sei ein guter Bundespolitiker, in Wien brauche man jedoch einen "g'standenen" Bürgermeister wie Ludwig, heißt es auf der einen Seite. Die andere sieht durch Schieder einen längst nötigen Generationenwechsel.

Auch Andreas Schieder macht Werbung für sich auf Facebook.

Unterstützung bekommt Schieder von den Jugendorganisationen, den Innenstadtbezirken und dem Vernehmen nach vom Gros der Stadtregierung. Ludwig hat die Flächenbezirke und die Gewerkschaft hinter sich. Wobei beide natürlich auch mit Unterstützern aus den gegnerischen Reihen aufwarten.

Ludwig will Häupl als Ehrenvorsitzenden

Kurz vor der Wahl geben sich jedenfalls beide Seiten amikal. Schieders Hand sei ausgestreckt, alle politischen Bereiche der SPÖ sollen nach dem Umbau der Stadtregierung abgedeckt werden. Und auch Ludwig gibt sich versöhnlich: Sollte er gewählt werden, will er Häupl den Ehrenvorsitz der Wiener Roten anbieten. (Oona Kroisleitner, David Krutzler, 26.1.2018)