Ein Hashtag hat in den letzten Monaten "eine der wichtigsten emanzipatorischen Bewegungen überhaupt" ausgelöst, findet Renate Bertlmann. #MeToo ist eine Anklage, die Frauen eine Stimme verleiht und Männern einmal in die Rolle der Zuhörer zwingt. Bertlmann, die 2017 den Großen Österreichischen Staatspreis für Kunst erhielt, ergänzt nun #It'sYou,Too.

Der Titel ihrer Ausstellung in der Galerie Steinek zeige auf den Mann, so die 74-Jährige. Es sei nun an ihm, seine Rolle zu hinterfragen, über sein Selbstverständnis und seine Verantwortung im angeprangerten Gefüge nachzudenken. Bei feministischen Themen wegducken, so als ginge das nur Frauen an, gilt nicht mehr.

Ein Mann ist mit Bertlmanns aufforderndem Fingerzeig #It's You, Too allerdings nicht gemeint: Ehemann Reinhold Bertlmann, ein Physiker. "Ein Feminist der ersten Stunde", verriet die Künstlerin 2016 im STANDARD-Interview. Und deswegen habe er "ganz schöne Troubles gehabt". Bei Vorträgen von Alice Schwarzer in den 1970er-Jahren sei er der einzige Mann gewesen und ziemlich schief angesehen worden.

Für Renate Bertlmann "ein ganz normales Paar", das sich mal liebt, mal fetzt: aus der Serie "Top U29".
Foto: Renate Bertlmann

"Männer haben kein Panoramabewusstsein."

Damals hat Bertlmann sich intensiv mit der feministischen Bewegung identifiziert und in Frauengruppen mitgearbeitet. Ihren Mann habe sie oft eingeladen, sich das anzuhören. Aber dort "wurde das nicht goutiert", erinnert sie sich, versteht es aber auch: Schließlich "mussten wir uns erst einmal einen Raum schaffen, wo wir Frauen allein sind. Es war etwas sehr Unübliches, dass ein Mann ein wirkliches genuines Interesse an Feminismus hatte und nicht nur kommt, um dann von hinten her zu matschkern." Warum fühlen sich Männer oft nicht angesprochen von Frauenfragen? Bertlmann lacht. "Weil sie kein Panoramabewusstsein haben."

Humor ist wesentlicher Teil des Werks. Ihre Objekte – ob nun Kakteen, die mit Dildos, oder Nippel, die mit Skalpellen besetzt sind – spiegeln sexuelles Begehren und Aggressionen zugleich. "Mein Witz geht auf Kosten der Männer, und das vertragen die natürlich sehr schlecht", sagt Bertlmann.

Renate Bertlmann: "Trilogie (Peep-Show Koje Nr. 1)" (2011)
Galerie Steinek

Da ist die Luft raus

Am lautesten lachen kann man in der Schau über die Fotoserie Top U29 (2005), die den lustvollen wie -leeren Alltag eines Paares zeigt: Er, eine männliche Sexpuppe, legt sie, eine weibliche Sexpuppe, für einen Quickie wortwörtlich über dem Schreibtisch flach. Beim vermutlich handgreiflich gewordenen Ehekrach ist aber beiden die Luft ausgegangen – völlig fertig liegen sie auf dem Parkett. Das böse Ende kommt erst in Eva im Sack (2013), da ist Adams Aufblasversuchung in einen Mistsack verschnürt. Sie gehört wie die Stilllebenserie mit den von Messern bewehrten Fehdehandschuhen zu den weniger starken, weil zu plakativen Arbeiten der Wiener Schau. Beklemmend ist hingegen die provozierende Antwort auf männliche Kastrationsängste durch eine Vagina dentata, einen bezahnten Schoß: Auf einem Röntgenbild des Beckens ist ein aus der Vulva ragendes Skalpell zu erkennen. Autsch. (Anne Katrin Feßler, 29.1.2018)