Elija (Simon Bauer) will jenseits starrer Ordnung leben dürfen.

Foto: Matthias Heschl

Wien – Man kann im Schauspielhaus Wien aktuell dabei zuschauen, wie viele Weisen es gibt, sich seinen Parka auszuziehen. Über den Kopf nach vorn streifen etwa oder ihn hinuntergleiten lassen. Schnell sind sie alle nicht, beweist das Ensemble, sich den Jacken entwindend. Natürlich stehen die Kleidungsstücke für mehr: den Versuch, sich aus den Zwängen einer Gesellschaft zu befreien. Sie ist im vorliegenden Fall eine besonders rigide. Denn was das die Bühne einnehmende Brunnenbecken (Ausstattung: Davy van Gerven) nicht sofort annehmen lässt: Wir sind im Iran.

Der 1979 in Teheran geborene Autor Mehdi Moradpour und der Schweizer Regisseur Zino Wey bringen Ein Körper für jetzt und heute zur Uraufführung. Erzählt wird von Elija, einem schwulen Mann, der von seinen Eltern für seine Veranlagung gehasst wird. Er führt eine Beziehung mit seinem Chef, der ihm verspricht, ihn zu heiraten, wenn er sich zur Frau umoperieren lasse. So streng verboten und verfolgt Homosexualität im Iran ist, Geschlechtsumwandlungen sind erlaubt. Elija hält seinen Part der Abmachung ein. Sein Partner nicht.

Weit weg vom System

So einfach die Ausgangslage ist, so kühl wird sie inszeniert. Auf ein empathisches Spiel legt es die Regie nicht an. Feuchten Schrittes stapfen Simon Bauer als Elija sowie Vera von Gunten, Steffen Link und Martina Spitzer als Eltern oder Ärzte durch das Wasserbecken und lassen den oft ungleich trockeneren Text laut hallen. Vieles soll mit hinein, Technokapitalismus etwa. Dazu zerren die Figuren an ihren Pullovern herum.

Am freiesten von den Regeln einer Ordnung aber ist man in seiner nackten Haut. Und fernab des Systems. Vor den Imperativen von Arbeit, Erfolg, Konsum und Identität zieht sich das Grüppchen schließlich in eine hoch hinter der Bühne versteckte Kammer zurück. Man will einen Ort jenseits der Welt, die klare Unterscheidungen und Zuordnungen fordert. Wir schauen per Videoprojektion live zu.

Es entwickelt sich schließlich eine zweite Handlung rund um eine Dialysepatientin. Ein Mann will ihr eine Niere spenden. Ist man dem nicht immer leicht zu folgenden Spiel bis dahin gefolgt, zeigen die beiden Stränge spät ihre Verknüpfung: nämlich wie sehr man sich für die Liebe eines anderen hingeben, wie viel man dafür von sich opfern würde.

Dass man offenbar glaubt, diese Frage nicht anhand des ersten Dramas der Geschlechtsumwandlung hinlänglich behandeln zu können, macht die eineinviertel Stunden nicht zwingend um eine zweite Geschichte reicher. Zu viel gewollt. (wurm, 29.1.2018)