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Martin Schulz auf dem Weg zu den Koalitionsverhandlungen.

Foto: AP/dpa/Gregor Fischer

Berlin – Gleich zu Beginn der Marathonwoche bei den deutschen Koalitionsverhandlungen ist Sand ins Getriebe geraten: Am Sonntagabend zeichnete sich ein heftiger Streit über den Familiennachzug für Flüchtlinge ab. Der Arbeitsgruppe Migration stehe eine harte Woche bevor, hieß es von Teilnehmern.

In der Arbeitsgruppe habe es bereits zu Beginn einen Schlagabtausch zwischen den federführenden Unterhändlern von SPD und CSU, Ralf Stegner und Andreas Scheuer, gegeben. Der CDU-Verhandlungsführer, der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier, sei um Schlichtung bemüht gewesen. Von anderer Seite hieß es, Stegner habe im Prinzip das in den Sondierungen erzielte Migrationspaket wieder aufschnüren wollen. Die Verhandlungen hätten aus Zeitgründen vertagt werden müssen.

Innenminister zu Gast

Am Donnerstag will der Bundestag über eine Verlängerung der inzwischen zweijährigen Aussetzung des Familiennachzugs für Flüchtlinge mit geringem Schutzstatus entscheiden. Dieses Thema stand auch am Abend auf der Tagesordnung eines Spitzentreffens der drei Parteien. Deshalb sei auch Innenminister Thomas de Maizière (CDU) zu dem Treffen dazu gebeten worden, hieß es.

Die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) sieht beim Familiennachzug für diese Flüchtlinge keinen Nachbesserungsbedarf: "Ich glaube, dass es genügend Spielraum für Härtefälle bietet", sagte sie der "Bild am Sonntag". In den Sondierungsgesprächen hatten Union und SPD vereinbart, den Familiennachzug eng zu begrenzen: auf 1.000 Menschen pro Monat. Die SPD will eine weitergehende Härtefallregelung erreichen. CDU und CSU lehnen dies ab.

CSU fordert konkrete Vorschläge

Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) forderte die SPD dennoch auf, "einen Vorschlag zu machen, wie sie sich die konkrete Ausgestaltung beim Thema Familiennachzug vorstellt". Der "Passauer Neuen Presse" vom Montag sagte er: "Entscheidend ist, dass der Korridor von insgesamt 180.000 bis 220.000 humanitären Zuzügen pro Jahr nicht überschritten wird." Dies könnte als Signal an die SPD verstanden werden, dass bei den Härtefallregelungen doch noch Spielraum ist.

Schulz sagte in der ARD-Sendung "Bericht aus Berlin", die Mitglieder entschieden, ob die SPD in eine Koalition eintreten dürfe. "Und dann weiß man, wer in die Regierung gehen kann." Vor allem von der Parteilinken war er wiederholt aufgefordert worden, auf einen Ministerposten zu verzichten.

Mit Blick auf die Verhandlungen forderte Schulz von der Union erneut Entgegenkommen bei den drei zentralen Nachbesserungswünschen des SPD-Parteitags: sowohl beim Familiennachzug als auch im Kampf gegen die "Zweiklassenmedizin" und bei der Befristung von Jobs ohne sachlichen Grund.

CDU gegen Nachbesserungen

Für die CDU wies Kramp-Karrenbauer Forderungen nach weitreichenden Nachbesserungen zurück. Sie deutete aber Bewegung in der Gesundheitspolitik an. An diesem Montag berät erstmals die wichtige Arbeitsgruppe Gesundheit. Sowohl CDU als auch SPD haben mit Gesundheitsminister Hermann Gröhe und der rheinland-pfälzischen Ministerpräsidentin Malu Dreyer gewichtige Vertreter entsandt.

Dreyer zeigte sich vor einer Spitzenrunde zuversichtlich, dass die Arbeitsgruppe zu guten Ergebnisse kommt. Man habe bereits über das Wochenende viele Absprachen getroffen. Kramp-Karrenbauer, die CDU-intern als eine aussichtsreiche Nachfolgerin von Parteichefin Angela Merkel gilt, erklärte, in der Gesundheitspolitik müssten etliche Probleme beseitigt werden. So seien die Wartezeiten für Patienten zu verkürzen – etwa durch veränderte Honorarsätze in Gegenden oder Fachgebieten mit Ärztemangel.

SPD-Forderungen nach einer vollständigen Angleichung der Arzthonorare für gesetzlich und privat Versicherte wies sie zurück. Dies sei nichts anderes als die Bürgerversicherung durch die Hintertür. Ähnlich hatte sich auch Gröhe geäußert.

"SPD den Splitter im Auge"

Zur Forderung nach einer Abschaffung von sachgrundlosen Jobbefristungen sagte Kramp-Karrenbauer: "Da sieht man bei der SPD den Splitter im Auge der Wirtschaft, blinzelt aber den eigenen Balken weg." Vor allem im öffentlichen Dienst gebe es viele Befristungen. Mecklenburg-Vorpommerns Regierungschefin Manuela Schwesig (SPD) wies jedoch darauf hin, dass eine Änderung gerade für junge Menschen, die in den Beruf einstiegen, wichtig sei.

Wie zuvor Merkel betonte Kramp-Karrenbauer Nachholbedarf bei der Digitalisierung in der öffentlichen Verwaltung, beim Arbeitsmarkt und in der Bildung. Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) forderte in der "Welt am Sonntag" einen nationalen Digitalrat, der Politik, Wirtschaft, Gewerkschaften und Experten an einen Tisch bringen soll. Er plädierte zudem für einen zentralen Digitalisierungskoordinator – am besten im Kanzleramt.

Merkel beriet am späten Nachmittag mit Schulz und CSU-Chef Horst Seehofer das weitere Vorgehen. Am Abend kam dann die Runde der 15 Spitzenunterhändler von CDU, CSU und SPD zusammen. (APA, 28.1.2018)