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"Alle Titel waren sehr speziell und unterscheiden sich voneinander", sagt Roger Federer über seine nunmehr 20 Grand-Slam-Titel. (von rechts unten nach links oben: Wimbledon 2003, Australian Open 2004, Wimbledon 2004, US Open 2004, Wimbledon 2005, US Open 2005, Australian Open 2006, Wimbledon 2006, US Open 2006, Australian Open 2007, Wimbledon 2007, US Open 2007, US Open 2008, French Open 2009, Wimbledon 2009, Australian Open 2010, Wimbledon 2012, Australian Open 2017, Wimbledon 2017, Australian Open 2018.

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Der Größte hat den Pokal.

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Melbourne – Der letzte Weg vor der Heimreise führte Roger Federer in den Park. Vor der Kulisse des historischen Government House in Melbourne, nach nur wenigen Stunden Schlaf, präsentierte er sich und seinen treuen Begleiter "Norman" auf der grünen Wiese ein letztes Mal der Weltpresse. "Ich bin noch immer ein bisschen verwirrt, dass jetzt alles vorbei ist und dass ich es geschafft habe", sagte Federer am Morgen nach dem triumphalen Schlussakt der Australian Open.

Im dicht getakteten Zeitplan des Großmeisters aus der Schweiz war nur wenig Platz, um das Geschehene zu verarbeiten. Bis tief in die Nacht hatte er Rede und Antwort gestanden, nebenbei ein Glas Champagner gestürzt und immer wieder geduldig erklärt, wie er im Fünfsatzkrimi gegen den Kroaten Marin Cilic die Nerven bewahrt und so seine Sammlung auf 20 Grand-Slam-Trophäen erweitert hatte. "Die Zahl 20 ist sehr speziell. Niemals hätte ich gedacht, diese jemals erreichen zu können", meinte der bescheidene Eidgenosse – und fügte an, dass er diesmal wohl etwas mehr Zeit als sonst brauchen würde, um das Ganze zu zu verarbeiten.

Der Norman Brookes Challenge Cup ("Norman") des Jahres 2018 wird seinen Platz in Federers Pokalkabinett finden, das damit aber längst nicht vollständig ist. Selbst im fortgeschrittenen Tennisalter von 36 Jahren findet Federer noch immer Gründe genug, um sich für die Zukunft zu motivieren. "Das Alter ist kein Thema, es ist nur eine Zahl", sagte Federer und trat allen Auguren entgegen, die ihn nach dem nächsten Titel schon bald im Ruhestand wähnten.

So sehr der "Maestro" auf dem Court die Leichtigkeit des Seins symbolisiert, so sehr wird abseits der großen Arenen und des Scheinwerferlichts "der Arbeiter Federer unterschätzt". Diese Aussage machte sein langjähriger Konditionstrainer Pierre Paganini kürzlich in einem Interview mit der "NZZ am Sonntag".

Seine Motivation, sein Ehrgeiz, sein Siegeswillen und die Leidenschaft für den Wettkampf sind auch nach fast 1.400 Partien auf der Tour und 96 Turniersiegen ungebrochen. Wohl auch deshalb wird ihm zugetraut, den Allzeit-Grand-Slam-Rekord von Margaret Court (24 Titel) noch zu brechen.

Planung ist mehr, als das halbe Leben

"Ich habe drei Slams in den letzten zwölf Monaten gewonnen, ich kann es selbst kaum glauben. Ich muss meinen Turnierplan weiter gut steuern. Hungrig bleiben. Dann können gute Dinge entstehen", sagte Federer. Er habe absolut "keine Ahnung", wie lange er das Tempo auf der Tour noch bestimmen kann, aber er hat einen Plan, wie er das Ende möglichst lange hinauszögern kann: "Ich muss weit im Voraus entscheiden, was meine Ziele und Prioritäten sind." Er kennt seinen Körper, er weiß, dass der Grad, auf dem er sich bewegt, schmal ist. "Im Gegensatz zu den US Open konnte ich hier unbeschwert aufspielen", erklärte er am Tag nach dem Triumph. Von August bis Anfang Oktober hatte er sich im Vorjahr mit Rückenproblemen herumgeschlagen.

Die nächste Entscheidung steht bereits in Kürze bevor. Reist Federer Ende Februar in sein Winterdomizil nach Dubai, um beim dortigen ATP-Turnier die Chancen auf die Rückkehr auf den Tennisthron zu erhöhen? Oder gönnt er sich bis in den März Pause und greift erst wieder in der kalifornischen Wüste von Indian Wells an? Offen ist auch noch, ob er wie im Vorjahr auf die Sandplatz-Saison wieder komplett verzichtet. Schließlich waren Gesundheit und Frische die Basis seiner Erfolge der vergangenen zwölf Monate.

Nummer eins greifbar

Selbst die Rückkehr an die Spitze der Weltrangliste ist greifbar zuletzt stand der Rekordhalter im Oktober 2012 ganz oben. Bis auf die Winzigkeit von 155 Punkten ist Federer an seinen ewigen Rivalen Rafael Nadal herangerückt und könnte ihn an der Spitze ablösen, wenn der Spanier seine Hüftverletzung bis zum Turnier in Acapulco (ab 26. Februar) nicht rechtzeitig auskuriert. Mit mit 36 Jahren und 6 Monaten würde Federer dann Andre Agassi als älteste Nummer 1 des ATP-Rankings ablösen. Spätestens nach Melbourne glauben viele, dass der erfolgreichste Spieler der Geschichte im Lauf des Jahres auch diesen Rekord an sich reißen wird.

Übermäßiges Risiko wird Federer für eine weitere Woche ganz vorne – es wäre die 303. seiner einzigartigen Karriere – aber nicht eingehen. Das würde auch seine Familie nicht zulassen.

Seine Frau Mirka mache das alles überhaupt erst möglich, sagte Federer an einem seiner letzten Pflichttermine in Melbourne: "Ohne ihre Unterstützung würde ich seit vielen Jahren nicht mehr spielen." Ihr und den vier Kindern schuldet Federer nach dem wochenlangen Trip durch Australien mit dem emotionalen Höhepunkt am Sonntagabend ein paar Tage zum Durchschnaufen in der Heimat.

Und die Australian Open 2019? "Ja, ich würde gerne zurückkommen, ich weiß, ich habe vergessen, das nach dem Match zu sagen", erklärt der Champion. (sid, apa, bausch – 29.1. 2018)