Ein Urknall im Austropop: Wolfgang Ambros' 1971 erschienene Single "Da Hofa".

"Zwickt’s mi" lautet eine neue, heute beginnende Reihe auf DerStandard.at. Im Rahmen des Gedenkens zum hundertjährigen Bestehen der Republik widmet sich "Zwickt’s mi" der Popmusik in Österreich. Einzelne Songs werden in Erinnerung gerufen und vorgestellt, die die heimische Popmusik geprägt haben. Im Guten wie im – ... nicht so Guten. Vollständigkeit ist nicht das Thema, die Bedeutung soll hervorgestrichen werden. Geplant ist ein Eintrag alle zwei Wochen.

"Jö schau"

Der erste Eintrag würdigt den Namenspatron der Reihe. "Zwickt’s mi" – authentisch nur mit werktreuem Deppenapostroph – hieß 1975 eine Hitsingle von Wolfgang Ambros. Im selben Jahr erschien das artverwandte "Jö schau" von Georg Danzer. Beide Lieder sind launige Alltagsbetrachtungen, beide waren Hits, beide behandeln das kleinkarierte Österreich der 1970er-Jahre. "Zwickt’s mi, i man i tram", sang Ambros, weil er nicht glauben konnte, wie verkrustet das Land war.

"Zwickt’s mi" beschreibt zugleich die ablehnende Verwunderung, mit der heimische Popmusik lange konfrontiert war. Doch nicht diesem Lied widmet sich dieser Beitrag, es soll um "Da Hofa" gehen.

"Da Hofa" war ein kleiner Urknall für das, was als Austropop im deutschsprachigen Raum bekannt werden sollte. "Da Hofa" war die erste Single von Wolfgang Ambros. Sie erschien 1971 und begründete seine Karriere. Im Jahr darauf veröffentlichte er sein Debütalbum: "Alles andere zählt net mehr …". Dass zur selben Zeit Kurt Sowinetz‘ misanthropische Raunzerhymne "Alle Menschen san ma zwider" erschien, rundet das Stimmungsbild hübsch ab.

hamrecords

Bis Ambros, das kann man mit einigen Unschärfen sagen, war österreichische Popmusik eine im besten Fall verhaltensoriginelle Fortsetzung des Allerweltsschlagers. Die wenigen Ausnahmen sind heute bekannter, als sie es damals waren.

Triste Bilder

"Da Hofa" beschreibt in tristen Bildern den Zustand des kleinbürgerlichen Österreich. In dem Lied wird ein Toter auf der Straße entdeckt. Die zusammengelaufene Nachbarschaft weiß bald, den kann nur der Hofer umgebracht haben, der vom 20er-Haus. "Da Hofa woa’s vom 20er-Haus, der schaut ma so verdächtig aus", legte Texter Joesi Prokopetz dem Ambros in den Mund.

Opfer-Täter-Umkehr

Erst als die Meute vor Hofers Wohnungstür steht, bereit zum Lynchmord mit Handtasche und Lodenhut, fängt die Hausmeisterin den Irrsinn ab. "Eines weiß ich ganz gewiss, dass die Leich da Hofa is’."

Das Lied beschreibt die klassische Opfer-Täter-Umkehr, die dem kollektiven Gedächtnis Österreichs jener Zeit eingeschrieben war, mit der versucht wurde, das Hurrageschrei am Heldenplatz bei Hitlers Einmarsch in das Wehklagen des ersten Opfers der Hitlerei umzudeuten. 25 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs lähmte ein verlogener Provinzialismus das Land und empörte sich über Ambros’ Hit wie später über den "echten Wiener", den Edmund "Mundl" Sackbauer.

Proletenpoesie

Acht Wochen lang hielt sich "Da Hofa" an der Spitze der heimischen Hitparade und wurde kontrovers diskutiert. So wie Ambros selbst. Der sang auf Deutsch, auf Wienerisch. Das verlieh seinen Liedern eine Authentizität, die es zuvor nicht oft gegeben hatte. Zugleich signalisierte es den Mut einer neuen Generation, sich der Popmusik mit einem eigenen Verständnis zu nähern, in der eigenen Sprache. Viele Versuche heimischer Künstler, im Englischen zu reüssieren, rechtfertigen Ambros‘ Insistieren auf sein eigenes Idiom.

Er formulierte eine Art Proletenpoesie, die in ihren besten Momenten eine Sensibilität aufwies, die der wienerischen Ruppigkeit subversiv zuwiderlief und sie gleichzeitig beförderte. Das gebar eine heitere Morbidität, deren ihr zugrunde liegende Traumata lassen sich nur mit Sigmund Freud und der österreichischen Geschichte erklären.

Leben im Gemeindebau

Ambros stieg damit in den 1970ern zum größten Star des Austropop auf. "Die No. 1 vom Wienerwald" sollte er werden, die mit Liedern wie "Es lebe der Zentralfriedhof" oder der zart vertrottelten Wintersporteloge "Schifoan" und anderen Liedern österreichische Popgeschichte schrieb.

Musikalisch sind "Da Hofa" und andere Lieder jener Zeit heute schwer auszuhalten. Eine dünnpfiffige Produktion und ein Sänger, der klingt, als würde er kaum den Mund aufbringen – auch das illustriert das Neuland, auf das sich Ambros und Co begeben haben. Doch Liebe wird aus Mut gemacht, wie Nena sang.

Friedhof und Gemeindebau

Ambros’ Songs über Selbstmordfantasien, Friedhofsgeher oder das farblose Leben im Gemeindebau begründeten eine originäre Popkultur mit all ihren Höhe- und Tiefpunkten und machten "unseren Wolferl" als Übermittler zum größten Star des Fachs.

Bis in die Gegenwart wirkt der frühe Austropop in der Kunst von Ernst Molden, Der Nino aus Wien oder Wanda nach.

Moser, Waits und A3

Ambros, heute 65, ging jedoch früh in den von ihm besungenen Sujets auf. Er wurde, so schien es zumindest, selbst ein Raunzer und Grantler. Er nuschelte sich durch die Vorlagen eines Hans Mosers oder verging sich an Songs von Tom Waits.

Als ein Drittel der Austria 3, kurz A3, wie die billigen Tschik, erlebte er mit Georg Danzer und Rainhard Fendrich seine letzten großen Erfolge. Nachdem Danzer 2007 gestorben war, scheiterte eine Fortsetzung der A3 mit Klaus Eberhartinger an Ambros‘ Streitsucht. "The world is too small in Austria", hat einmal ein kleiner Österreicher gesagt. Manchmal kommt die Wahrheit in schlechtem Englisch daher. (Karl Fluch, 3.2.2018)