Wien – Seit der Wahl des neuen Chefs der SPÖ Wien am Samstag heißt es warten. Der neue Vorsitzende Michael Ludwig hatte angekündigt, als Erstes mit Bürgermeister Michael Häupl ein Vier-Augen-Gespräch zu führen, ein genauer Termin sei noch nicht fixiert. Auch ein Besuch der Parteizentrale soll anstehen. Dieser dürfte sich aber verzögern. Das Gespräch mit Häupl soll sich vor allem um den genauen Zeitpunkt der Übergabe des Bürgermeisteramts drehen. Häupl hatte signalisiert, Ende Mai sei ein günstiger Zeitpunkt dafür. Spekuliert wird allerdings, ob Ludwig so lange warten oder den Wechsel bereits zu einem früheren Termin vollziehen will.

Michael Ludwig ist die neue Nummer eins in Wien.
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Abgesehen von der Funktion des Stadtchefs gehe es derzeit noch nicht um Personelles, heißt es. Spekuliert wird auf beiden Seiten jedoch heftig. Schließlich hatte Ludwig schon vor seiner Wahl angekündigt, dass es neue sowie amtierende Stadträte in seinem Team geben wird.

Den Frieden wahren

Um den Frieden innerhalb der Partei zu wahren, steht Ludwig vor der schwierigen Aufgabe, die unterschiedlichen Gruppen in der Partei zu befrieden. Die Liste jener, die in die Stadtregierung wechseln könnten, ist lang. Sogar zu lang, wenn man beachtet, dass die SPÖ nur sechs Posten zu vergeben hat. Vertraute wie Gemeinderat Christian Deutsch oder Simmerings Bezirksparteichef Harald Troch haben Ludwig von Anfang an tatkräftig unterstützt. Auch die Favoritner Parteichefin Kathrin Gaal und Barbara Novak aus Döbling haben gute Karten.

Dem Bezirksvorsteher der Wiener Donaustadt, Ernst Nevrivy, werden ebenfalls gute Chancen nachgesagt. Spekuliert wird, er könne etwa statt Landesparteisekretärin Sybille Straubinger in die Löwelstraße wechseln. "Ludwig hat angekündigt, mit allen Bezirken zu sprechen, das gilt es abzuwarten", sagt Nevrivy zum STANDARD. Er gehe davon aus, dass er sich auch mit seiner Bezirksvorsitzenden treffen werde. Verbreiteter ist jedoch die These, dass Gemeinderat Marcus Schober Straubinger beerben könnte. Er habe sich nie offen in eine Richtung positioniert und gilt als "unbeschriebenes Blatt", heißt es aus SPÖ-Kreisen. Zudem wäre er ein Signal zur Verjüngung der Partei. Der 37-jährige Bildungssekretär habe trotzdem Erfahrung und kenne die Partei. Loyalität wird ihm ebenso nachgesagt. Von 2005 bis 2007 war er Mitarbeiter Ludwigs in der SPÖ-Bildung.

Andreas Schieder musste sich gegen Michael Ludwig geschlagen geben. Jetzt könnte ihm ein Stadtratsposten angeboten werden.
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Ein weiterer Name, der von vielen Seiten genannt wird, ist jener von Gemeinderat Christian Meidlinger. Meidlinger hatte vor rund einem Jahr den Platz von Ex-Stadträtin Sonja Wehsely im Parteipräsidium der Wiener SPÖ übernommen. Als Gewerkschafter deckt er einen wichtigen Teil der Partei ab – jenen, für den aktuell Sozialstadträtin Sandra Frauenberger steht.

Probleme für amtierende Stadträtinnen

Denn Frauenberger gilt als eine, deren Tage gezählt sein dürften. Dass sie Andreas Schieder unterstützt hat, ist aber nur ein Grund dafür. Auch inhaltlich decken sich Ludwig und Frauenberger wenig. Bei der Mindestsicherung steht Ludwig für eine schärfere Gangart und die Einführung einer Wartefrist. Frauenberger hatte sich dagegengestellt. Auch was die Umstrukturierung des Krankenanstaltenverbunds (KAV) und den Neubau des Krankenhauses Nord betrifft, stand Frauenberger in der Kritik – auch von Parteikollegen aus Ludwigs Team. Allerdings müsse man Frauenberger anrechnen, dass sie bei den vergangenen Parteitagen immer gute interne Ergebnisse eingefahren hat, während Ludwig etwa 2017 nur 67,8 Prozent erreichte.

Schwierig könnte es auch für Renate Brauner werden. So wirft man der Finanzstadträtin vor, sie würde den Einigungsprozess torpedieren, weil sie auch nach der Wahl Ludwigs erklärte, sie habe Schieder für den "besseren Kandidaten" gehalten. Brauner sicherte jedoch in einem Nachsatz Ludwig die Unterstützung zu. Ihre Aussage werde nun, so ist man sich auf Schieder-Seite sicher, dafür verwendet, um sie leichter abzumontieren, schließlich hat sie als Vorsitzende der SPÖ-Frauen ein gewisses Standing in der Partei. Angeschlagen ist Brauner jedoch schon länger: Bereits beim Landesparteitag im April vergangenen Jahres wurde die Finanzstadträtin nur mit 67,5 Prozent ins Parteipräsidium gewählt.

Umweltstadträtin Ulli Sima und Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny hielten sich im internen Zwist zumindest in der Öffentlichkeit zurück. Ersterer wird jedoch nachgesagt, sich intern für Schieder starkgemacht zu haben. Auch sie soll es mit Ludwig nicht leicht haben, ihr Verbleib in der Stadt wird angezweifelt.

Wackeliger Friede

Mailath-Pokorny habe sich vor der Wahl "bewusst nicht an dieser Auseinandersetzung beteiligt. Ich halte das für schädlich", sagt der Kulturstadtrat zum STANDARD. Jetzt, wo der Parteitag geschlagen ist, gelte es, die offenen Gräben wieder zuzuschütten. Mailath-Pokorny richtete Ludwig Gratulationen aus, man freue sich auf die Zusammenarbeit. Kennen würde man sich ohnehin schon viele Jahre. Ein Gespräch habe es noch nicht gegeben. Er sei bereit, seinen Teil bei der politischen Arbeit gegen die aktuellen Bedrohungen von rechts beizutragen.

Bildungsstadtrat Jürgen Czernohorszky gilt als Zukunftshoffnung der Partei.
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Bildungsstadtrat Jürgen Czernohorszky gilt als Nachwuchshoffnung des linken Flügels und ist parteiintern sehr beliebt – weshalb es Ludwig schwerfallen dürfte, ihn auszutauschen. Spekuliert wird auch, dass Schieder ein Posten angeboten wird, um den Frieden zu wahren. Dieser dürfte auf wackeligen Beinen stehen. So heißt es, Ludwig müsse ein "ausgeglichenes Team" aufstellen und dürfe nicht zu "brutal reinfahren". Denn Schieders 43 Prozent seien "nicht nix". Damit es keinen weiteren "öffentlichen Wickel" gibt, brauche es Eingeständnisse auf beiden Seiten.

Kritik an Kern

Die Wahl Ludwigs nahm der Purkersdorfer Bürgermeister und Ex-Innenminister Karl Schlögl (SPÖ) zum Anlass, eine Erneuerung der SPÖ-Bundesspitze zu fordern: "Wir brauchen eine glaubhafte Persönlichkeit, die die Partei wieder eint", sagte er zum Kurier. (Vanessa Gaigg, Oona Kroisleitner, 29.1.2018)